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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Ruth sei zwar eine ganz passable Köchin – so bezeichnete sie sich selbst –, aber er könne besser kochen und sei auch derjenige im Haushalt, der mehr Zeit zum Einkaufen habe. Außerdem freue er sich darauf, viel mit Graham zu unternehmen.
    Es stimmte genau, was Hannah Eddie unter vier Augen anvertraut hatte: Ruth hatte eine Hausfrau geheiratet! Welcher Schriftsteller würde sich nicht eine Hausfrau an seiner Seite wünschen? Ruth hatte Harry als ihren persönlichen Polizisten bezeichnet, aber im Grunde genommen war Harry Ruths persönliche Hausfrau.
    Als Ruth von draußen hereinkam, hatte sie kalte Hände und ein kaltes Gesicht und wärmte sich an dem Topf, in dem die Brühe zu köcheln begonnen hatte.
    »Es wird das ganze Wochenende Truthahnsuppe geben«, sagte Harry.
    Nachdem das Geschirr gespült war, setzte sich Eddie zu Ruth und Harry ins Wohnzimmer, in dem die beiden erst an diesem Morgen geheiratet hatten; aber Eddie kam es vor, als würden Ruth und Harry sich schon ewig kennen; und er war überzeugt, daß sie ewig beisammenbleiben würden. Die Frischvermählten saßen auf der Couch, Ruth nippte an ihrem Wein, Harry trank sein Bier. Sie konnten hören, wie Hannah Graham oben vorlas.
Es war der Abend vor Weihnachten,
mucksmäuschenstill war’s im Haus,
nichts und niemand rührte sich,
nicht mal die Maus.
Denn im Bett lagen alle im ganzen Haus,
hatten Husten und Schnupfen – auch die Maus.
Nur die kleine Madeline lief putzmunter herum,
ihr ging es prächtig rundherum.
    »Genauso geht es mir auch«, sagte Harry. »Prächtig.«
    »Mir auch«, sagte Ruth.
    »Auf das glückliche Paar«, sagte Eddie und prostete den beiden mit seinem Cola light zu.
    Die drei Freunde erhoben ihre Gläser. Hannahs Stimme drang noch immer eigenartig wohltuend nach unten. Und Ruth dachte abermals, was es für ein Glück war, daß sie nur ein bißchen Pech gehabt hatte.
    An diesem langen Thanksgiving-Wochenende aß das glückliche Paar nur noch einmal mit Hannah und Eddie, ihren beiden unglücklichen Freunden, zu Abend.
    »Sie haben das ganze Wochenende gefickt, ganz im Ernst«, flüsterte Hannah Eddie zu, als er am Samstag abend zum Essen herunterkam. »Ich schwöre dir, sie haben mich nur eingeladen, damit ich mich um Graham kümmere und sie sich währenddessen davonschleichen und es treiben können! Kein Wunder, daß sie keine Hochzeitsreise machen, das ist gar nicht nötig! Daß ich die Brautjungfer machen sollte, war bloß eine Ausrede!«
    »Vielleicht bildest du dir das nur ein«, meinte Eddie, aber Hannah befand sich wirklich in einer ungewöhnlichen Situation, ungewöhnlich zumindest für sie. Sie war ohne Freund zu Besuch in Ruths Haus und registrierte haarscharf, daß Ruth und Harry zwar nicht ständig miteinander schliefen, es aber offensichtlich am liebsten getan hätten.
    Harry hatte nicht nur eine phantastische Truthahnsuppe gekocht, sondern auch einen Rote-Bete-Salat gemacht; und er hatte Maisbrot gebacken. Zur allgemeinen Überraschung konnte er Graham dazu überreden, ein paar Löffel von der Suppe zu kosten; sie schien sich gut mit seinem überbackenen Käsesandwich zu vertragen. Sie saßen noch beim Essen, als Ruths engagierte Maklerin an die Tür klopfte und eine verbittert aussehende Frau mitbrachte, die sie als »potentielle Käuferin« vorstellte.
    Die Maklerin entschuldigte sich bei Ruth, weil sie keinen Termin vereinbart und nicht einmal angerufen hatte, aber die Interessentin habe soeben erst erfahren, daß das Haus zum Verkauf stehe, und es sich unbedingt ansehen wollen, weil sie noch am selben Abend nach Manhattan zurückfahren mußte.
    »Um dem dichten Verkehr zu entgehen«, sagte die potentielle Käuferin. Sie hieß Candida, und ihre Bitterkeit ging vor allem von ihren zusammengekniffenen Lippen aus, die sich so fest um den Mund schlossen, daß es ihr bestimmt weh tat, zu lächeln – ein Lachen aus so einem Mund war undenkbar. Gut möglich, daß Candida einmal so hübsch gewesen war wie Hannah – sie war noch immer so schlank und so schick zurechtgemacht –, aber inzwischen hatte sie mindestens Harrys Alter erreicht, sah aber älter aus; und sie schien sich mehr dafür zu interessieren, die Leute am Eßtisch unter die Lupe zu nehmen als das Haus.
    »Läßt sich hier jemand scheiden?« fragte sie.
    »Wenn Sie es genau wissen wollen, die beiden haben gerade geheiratet«, sagte Hannah und deutete auf Ruth und Harry. »Und wir zwei waren weder jemals geschieden noch verheiratet«, fügte sie hinzu,

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