Witwe für ein Jahr (German Edition)
wobei sie auf Eddie und sich zeigte.
Candida warf einen fragenden Blick auf Graham. Aus Hannahs Antwort war nicht hervorgegangen, zu wem Graham gehörte. Und es würde auch keine Erklärung geben, beschloß Hannah und starrte die verdrießliche Frau an, bis diese den Blick abwandte.
Auf der Anrichte, wo der Rest des Salats Candida einen weiteren mißbilligenden Blick entlockte, lag auch ein Exemplar der französischen Übersetzung von Mein letzter schlimmer Freund , das für Ruth und Harry großen sentimentalen Wert besaß. Für sie war Mon dernier voyou eine kostbare Erinnerung an die Zeit in Paris, als sie sich verliebt hatten. Der Blick, den Candida auf den Roman warf, verriet deutlich, daß sie auch alles Französische mißbilligte. Ruth fand diese Frau extrem unsympathisch. Die Immobilienmaklerin fand ihre Klientin vermutlich auch unsympathisch, und die ganze Situation war ihr sichtlich peinlich.
Die Maklerin, eine stämmige Frau mit Zwitscherstimme, entschuldigte sich noch einmal für die Störung beim Abendessen. Sie gehörte zu den Frauen, die sich ins Immobiliengeschäft stürzten, nachdem ihre Kinder flügge geworden waren. Ihr schriller, von Unsicherheit zeugender Eifer, es anderen recht zu machen, paßte eher zu einer Person, die ständig für Nachschub an Erdnußbutter-Sandwiches mit Traubengelee zu sorgen hat, als zu einer, die Häuser kauft und verkauft. Doch ihre Begeisterung war nicht geheuchelt, auch wenn sie sich leicht aus der Fassung bringen ließ. Sie wollte unbedingt, daß alle alles schön fanden, und da das selten vorkam, neigte sie dazu, plötzlich in Tränen auszubrechen.
Harry erbot sich, die Lichter in der Scheune anzumachen, damit sich die potentielle Käuferin das Arbeitszimmer im ersten Stock ansehen könne, doch diese verkündete, sie sei nicht auf der Suche nach einem Haus in den Hamptons, weil sie den Wunsch habe, sich in einer Scheune aufzuhalten. Sie wollte sich oben umsehen – am meisten interessierten sie die Schlafzimmer, erklärte sie –, und so ging die Maklerin mit ihr los. Graham, der sich langweilte, folgte den beiden.
»Meine verdammte Unterwäsche liegt im Gästezimmer überall am Boden verstreut«, flüsterte Hannah Eddie zu, der sich das nur zu gut vorstellen konnte.
Als Harry und Ruth in die Küche gingen, um das Dessert herzurichten, flüsterte Hannah Eddie zu: »Weißt du, was die zwei im Bett machen?«
»Ich kann es mir denken«, gab Eddie flüsternd zurück. »Ich bin sicher, man braucht es mir nicht eigens zu sagen.«
»Er liest ihr vor«, flüsterte Hannah. »Stundenlang. Manchmal liest auch sie ihm vor, aber ihn kann ich besser hören.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, sie vögeln die ganze Zeit.«
»Den ganzen Tag, habe ich gemeint. Nachts liest er ihr vor. Das ist doch krank«, fügte Hannah hinzu.
Wieder einmal wurde Eddie von Neid und Sehnsucht gepackt. »Die durchschnittliche Hausfrau tut das nicht«, flüsterte er Hannah zu, worauf sie ihm einen Blick zuwarf, der besagte: Scher dich zum Teufel.
»Was habt ihr zwei denn zu flüstern?« rief Ruth aus der Küche.
»Vielleicht haben wir eine Affäre«, antwortete Hannah, und Eddie zuckte zusammen.
Sie aßen ihren Apple Pie, als die Maklerin mit Candida wieder ins Eßzimmer kam. Graham zottelte mißmutig hinterher. »Das Haus ist zu groß für mich«, verkündete Candida. »Ich bin geschieden.« Die Maklerin, die hinter ihrer Klientin hereilte, machte ein Gesicht, als wollte sie gleich zu weinen anfangen.
»Sie hätte nicht eigens zu sagen brauchen, daß sie geschieden ist«, meinte Hannah später. »Ich meine, das hat man ihr auch so angesehen.«
»Sie hat sich Harrys Bücher angeschaut«, berichtete Graham. »Und sie hat auf deine Höschen und BH s gestarrt, Hannah.«
»Es gibt Leute, die tun so was, Baby«, sagte Hannah.
An diesem Abend schlief Eddie in seinem bescheidenen Haus auf der Nordseite der Maple Lane ein, wo keine siebzig Meter vom Kopfende seines Bettes entfernt die Schienen der Long Island Rail Road verliefen. Er war so müde – das war er oft, wenn er deprimiert war –, daß ihn der vorbeirumpelnde 3-Uhr-21 nicht aufweckte. Für gewöhnlich weckte ihn dieser frühe Zug in Richtung Osten, aber an diesem Sonntag schlief Eddie durch – das heißt, bis der 7-Uhr-17 kam, der nach Westen fuhr. (An Werktagen wurde Eddie jeden Morgen früher geweckt – vom 6-Uhr-20 in Richtung Westen.)
Hannah rief ihn an, während er Kaffee machte.
»Ich muß hier weg«, flüsterte Hannah.
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