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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Eddie: »Ich weiß nicht einmal, ob sie mit einer Frau geschlafen haben, bevor sie gestorben sind.« Eddie, der an das Foto aus dem Jahrbuch 1953 denken mußte, auf dem Thomas ein Mädchen küßt, vermutete es bei Thomas. »Thomas vielleicht schon«, meinte Marion. »Er war so … so beliebt. Aber Timothy bestimmt nicht, dazu war er zu schüchtern. Außerdem war er erst fünfzehn …« Ihre Stimme verlor sich, und wieder fiel ihr Blick auf das Bett, auf dem ihr vorher die ungute Farbkombination von rosa Jacke und violetter Wäsche aufgefallen war. »Hast du denn schon mal mit einer Frau geschlafen, Eddie?« fragte sie unvermittelt.
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete Eddie. Sie lächelte ihn an – voller Mitleid. Er gab sich Mühe, nicht so erbärmlich und wenig liebenswert auszusehen, wie er seiner Meinung nach war.
    »Wenn ein Mädchen stirbt, bevor es Sex gehabt hat, könnte man vielleicht sagen, sie hat Glück gehabt«, fuhr Marion fort. »Aber bei einem Jungen … meine Güte, Jungen wollen doch nichts anderes, oder? Jungen und Männer«, fügte sie hinzu. »Das stimmt doch, habe ich recht? Ihr wollt doch nichts anderes.«
    »Ja«, sagte Eddie ganz verzweifelt. Marion stand neben dem Bett und hob das veilchenfarbene Hemdchen mit dem hinreißenden Dekolleté auf; dann nahm sie auch das Höschen, aber die hellrosa Kaschmirjacke schob sie an den anderen Bettrand. »Dafür ist es zu heiß«, sagte sie zu Eddie. »Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich die Jacke nicht anziehe.«
    Eddie stand da wie angewurzelt, und sein Herz klopfte, während Marion ihre Bluse aufzuknöpfen begann. »Mach die Augen zu, Eddie«, ermahnte sie ihn. Kaum hatte er sie geschlossen, befürchtete er, ohnmächtig zu werden. Er merkte, wie er hin und her schwankte; nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. »Okay«, hörte er sie sagen. Sie lag in Hemdchen und Höschen auf dem Bett. »Jetzt bin ich an der Reihe mit Augenzumachen«, sagte Marion.
    Eddie zog sich ungeschickt aus; er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Als sie sein Gewicht neben sich auf dem Bett spürte, drehte sie sich auf die Seite, um ihn anzusehen. Als sie einander in die Augen sahen, gab es Eddie einen Stich. In Marions Lächeln lag mehr Mütterliches als das, was er darin zu sehen gehofft hatte.
    Er berührte sie nicht, doch als er sich selbst zu berühren begann, legte sie die Hand auf seinen Nacken und zog sein Gesicht auf ihre Brüste, die er nicht einmal anzusehen wagte. Mit der anderen Hand nahm sie seine rechte Hand und legte sie entschlossen dorthin, wo sie ihn sie das erste Mal hatte hinlegen sehen – auf den Schritt ihres Höschens. Er spürte, wie er in seiner linken Hand explodierte, so schnell und so heftig, daß er zusammenzuckte und sie dabei anstieß. Marion war so überrascht, daß sie ebenfalls zusammenzuckte. »Mein Gott, das ging aber schnell!« sagte sie. Mit vorgehaltener Hand lief Eddie ins Bad, bevor er herumkleckerte.
    Nachdem er sich gewaschen hatte, kehrte er ins Schlafzimmer zurück, wo Marion noch immer auf der Seite lag, fast genauso, wie er sie zurückgelassen hatte. Zögernd legte er sich wieder neben sie. Ohne sich zu bewegen oder ihn anzusehen, sagte sie: »Komm wieder her.«
    Sie lagen da und sahen sich in die Augen, endlos lang, wie es Eddie vorkam – wenigstens hätte er sich gewünscht, daß dieser Augenblick kein Ende nimmt. Sein ganzes Leben lang blieb dieser Moment für ihn der Inbegriff dessen, was Liebe ist. Liebe bedeutet, nicht mehr zu wollen, von anderen nicht mehr zu erwarten als das schon Erreichte; es hieß schlicht und einfach, sich vollständig zu fühlen. Niemand konnte es verdient haben, sich noch besser zu fühlen.
    »Kannst du Latein?« flüsterte Marion.
    »Ja«, gab er flüsternd zurück.
    Sie ließ ihren Blick nach oben wandern, zu der Inschrift auf dem Foto, in der von jenem wichtigen Übergang die Rede war, den ihre Söhne nicht vollzogen hatten. »Sprich es mir auf Latein vor«, flüsterte Marion.
    »Huc venite pueri …« , begann Eddie flüsternd.
    »Kommt herbei, ihr Knaben …«, übersetzte Marion ebenso leise.
    »… ut viri sitis« , schloß Eddie; er hatte bemerkt, daß Marion seine Hand genommen und sie wieder auf den Schritt ihres Höschens gelegt hatte.
    »… auf daß ihr zu Männern werdet«, flüsterte sie. Wieder legte sie die Hand auf seinen Nacken und zog sein Gesicht auf ihre Brüste. »Und du hast noch immer keinen Sex gehabt, nicht wahr?« fragte sie. »Jedenfalls nicht

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