Witwe für ein Jahr (German Edition)
Paaren die endgültige Trennung herbeiführten.
»Und deshalb sind wir andauernd umgezogen«, beantwortete Marion Eddies Frage.
In den College- und Universitätsstädten konnte man immer problemlos ein Haus mieten; irgendwelche Dozenten waren immer in Urlaub, und die Scheidungsrate lag ziemlich hoch. Der einzige etwas längerfristige Wohnsitz der Coles war ein Farmhaus in New Hampshire, das sie in den Schulferien oder für Skiurlaube nutzten und in dem sie jeden Sommer ein bis zwei Monate verbrachten. Das Haus hatte Marions Familie gehört, so weit sie zurückdenken konnte.
Nach dem Tod der beiden Jungen hatte Ted den Vorschlag gemacht, New England und allen Erinnerungen, die sich an diese Gegend knüpften, den Rücken zu kehren. Der östliche Zipfel von Long Island war hauptsächlich eine Gegend, in der man sich im Sommer aufhielt und in die sich die New Yorker am Wochenende zurückzogen. Ted meinte, für Marion wäre es bestimmt leichter, nicht mit ihren alten Freunden reden zu müssen.
»Eine neue Umgebung, ein neues Kind, ein neues Leben«, sagte Marion zu Eddie. »Zumindest war das die Idee.«
Daß Teds Liebesaffären nicht weniger geworden waren, seit sie die College- und Universitätsstädte von New England verlassen hatten, überraschte Marion keineswegs. An Zahl nahmen seine Seitensprünge sogar noch zu, wenn auch nicht an leidenschaftlicher Intensität. Ted war regelrecht süchtig nach Liebesaffären. Marion wettete mit sich selbst, daß Teds Sucht, zu verführen, stärker war als seine Alkoholabhängigkeit. (Sie war überzeugt, daß er auf Alkohol noch eher verzichten konnte.)
Bei Ted, so erklärte sie Eddie, dauerte das Verführen stets länger als die Affäre. Erst machte er die herkömmlichen Porträts, meist von der Mutter und ihrem Kind. Anschließend stand die Mutter allein Modell, dann nackt. Aus den Aktzeichnungen ließ sich eine im voraus feststehende Abfolge erkennen: Unschuld, Sittsamkeit, Erniedrigung, Scham.
»Mrs. Vaughn!« unterbrach Eddie, der an das verstohlene Getue der kleinen Frau denken mußte.
»Mrs. Vaughn macht derzeit die Phase der Erniedrigung durch«, erklärte Marion.
Dafür, daß Mrs. Vaughn so klein ist, hinterläßt sie einen recht kräftigen Geruch auf den Kissen, dachte Eddie; zugleich hätte er es anmaßend gefunden, ja geradezu vulgär, Marion gegenüber auszusprechen, was er von Mrs. Vaughns Geruch hielt.
»Und trotzdem bist du all die Jahre bei ihm geblieben!« sagte er kläglich. »Warum hast du ihn nicht verlassen?«
»Die Jungen haben ihn geliebt«, erklärte Marion. »Und ich habe die Jungen geliebt. Ich hatte vor, Ted zu verlassen, sobald beide mit der Schule fertig – sobald sie aus dem Haus sind. Vielleicht auch erst, wenn sie mit dem College fertig sind«, fügte sie etwas weniger sicher hinzu.
Um über seinen Liebeskummer hinwegzukommen, daß er ihretwegen unglücklich war, verspeiste Eddie ein gewaltiges Dessert.
»Das mag ich an euch Jungen so gern«, sagte Marion. »Egal, was passiert, ihr laßt euch davon nicht beirren.«
Auf dem Heimweg ließ sie Eddie fahren. Sie kurbelte ihr Fenster herunter und schloß die Augen. Die Nachtluft wehte durch ihr Haar. »Es ist nett, gefahren zu werden«, sagte sie zu Eddie. »Ted hat immer zuviel getrunken. Immer mußte ich fahren. Na ja … fast immer«, fügte sie flüsternd hinzu. Dann wandte sie Eddie den Rücken zu; möglich, daß sie weinte, denn ihre Schultern bebten, aber sie gab keinen Laut von sich. Entweder hatte der Wind ihre Tränen getrocknet, bis sie zu Hause in Sagaponack ankamen, oder sie hatte doch nicht geweint. Von dem einen Mal, da Eddie in ihrem Beisein geweint hatte, wußte er, daß sie nichts von Tränen hielt.
Nachdem Marion das Abend-Kindermädchen heimgeschickt hatte, schenkte sie sich aus einer offenen Flasche, die im Kühlschrank stand, ein viertes Glas Wein ein. Sie forderte Eddie auf mitzukommen, als sie nachschaute, ob Ruth schlief, und flüsterte ihm zu, auch wenn es nach außen hin nicht den Anschein habe, sei sie früher einmal eine gute Mutter gewesen. »Aber Ruth werde ich keine schlechte Mutter sein«, fügte sie, noch immer flüsternd, hinzu. »Lieber möchte ich ihr gar keine Mutter sein als eine schlechte.« Zu diesem Zeitpunkt war Eddie nicht klar, daß Marion bereits beschlossen hatte, ihre Tochter bei Ted zurückzulassen. (Und Marion war damals nicht klar, daß Ted Eddie nicht nur deshalb ins Haus geholt hatte, weil er einen Chauffeur brauchte.)
Das schwache
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