Witwe für ein Jahr (German Edition)
daß Ted seine Tochter die ganze Zeit ausgehorcht haben mußte, schon von Anfang an: Hatte sie Eddie und ihre Mutter zusammen gesehen? Und wenn ja, wie? Plötzlich war alles, was Marion mißverstanden hatte, sonnenklar.
»Also deshalb hat er dich eingestellt!« rief sie. Ted hatte vorausgesehen, daß Marion Eddie zu ihrem Liebhaber machen würde und daß Eddie ihr unmöglich widerstehen konnte. Daß Ted sich einbildete, Marion so gut zu kennen, stand im Widerspruch zu der Tatsache, daß er sie nicht gut genug kannte, um zu begreifen, daß sie ihm das Sorgerecht für Ruth nie streitig machen würde. Marion hatte von jeher gewußt, daß dieses Kind für sie verloren war. Sie hatte Ruth nie gewollt.
Nun war Marion gekränkt, weil Ted eine so schlechte Meinung von ihr hatte, daß ihm nicht klar war, daß sie niemals – nicht einmal gesprächsweise und erst recht nicht vor Gericht – behaupten würde, Ruth sei bei ihrer Mutter besser aufgehoben als bei ihrem hinterlistigen, unzuverlässigen Vater. Was Ruth betraf, würde sogar Ted seine Sache besser machen, als Marion es gekonnt hätte, jedenfalls glaubte sie das.
»Ich werde dir sagen, was wir tun, Eddie«, erklärte Marion. »Mach dir keine Sorgen. Ted wird dich nicht zu einer Aussage zwingen, weil es zu keiner Gerichtsverhandlung kommen wird. Ich weiß sehr viel mehr über Ted als er über mich.«
Drei scheinbar endlose Tage lang konnten sie sich nicht lieben, weil Marion eine Infektion hatte und jede Form von Sex ihr Schmerzen verursachte. Trotzdem lag sie neben Eddie und drückte sein Gesicht an ihre Brüste, während er nach Herzenslust onanierte. Sie zog Eddie damit auf, daß sie sagte, es habe beinahe den Anschein, als würde er das fast so gern tun (wenn nicht lieber) wie mit ihr schlafen. Als Eddie das bestritt, zog Marion ihn weiter auf; sie bezweifle allen Ernstes, sagte sie, daß seine zukünftigen Frauen soviel Verständnis für diese Vorliebe aufbringen würden wie sie. Sie finde sie ausgesprochen süß, erklärte sie ihm.
Doch Eddie protestierte: Er könne sich nicht vorstellen, daß er sich je für andere Frauen interessieren würde. »Aber andere Frauen werden sich für dich interessieren«, meinte Marion. »Vielleicht sind sie nicht selbstsicher genug, um dich onanieren zu lassen, sondern verlangen, daß du es mit ihnen tust. Ich will dich nur warnen, als Freundin. Mädchen in deinem Alter werden sich von dir vernachlässigt fühlen.«
»Ich werde mich nie für Mädchen in meinem Alter interessieren«, sagte Eddie mit jenem trübseligen Unterton in der Stimme, den Marion liebgewonnen hatte. Und auch wenn sie Eddie damit aufzog, sollte sich herausstellen, daß er recht behielt. Er interessierte sich tatsächlich nie für eine Frau in seinem Alter. (Damit hatte Marion ihm nicht unbedingt einen schlechten Dienst erwiesen.)
»Du mußt mir einfach vertrauen, Eddie«, sagte sie. »Du darfst keine Angst vor Ted haben. Ich weiß genau, was wir tun werden.«
»Also gut«, sagte Eddie. Er lag da, drückte sein Gesicht an ihre Brüste und wußte, daß die Zeit mit ihr zu Ende ging. Wie hätte es auch anders sein können? In knapp einem Monat würde er wieder in Exeter sein; und daß es undenkbar war, sich unter den geregelten Bedingungen in einer Internatsschule eine neununddreißigjährige Geliebte zu halten, war selbst ihm mit seinen sechzehn Jahren klar.
»Ted glaubt, daß du seine Schachfigur bist, Eddie«, erklärte ihm Marion. »Aber du bist meine Schachfigur, nicht die von Ted.«
»Also gut«, sagte Eddie noch einmal, ohne sich jedoch bewußtzumachen, in welchem Ausmaß er in dem sich zuspitzenden langjährigen Ehezwist tatsächlich eine Schachfigur war.
Ruths rechtes Auge
Für eine Schachfigur stellte Eddie eine Menge Fragen. Als Marion sich so weit von ihrer Infektion erholt hatte, daß sie wieder miteinander schlafen konnten, erkundigte sich Eddie, was für eine »Infektion« es denn gewesen sei.
»Eine Blaseninfektion«, antwortete Marion. Sie besaß noch immer mehr Mutterinstinkt, als ihr bewußt war – sie ersparte ihm die unter Umständen beunruhigende Auskunft, daß die Infektion auf seine unermüdlichen sexuellen Aufmerksamkeiten zurückzuführen war.
Sie hatten sich gerade in der Stellung geliebt, die Marion am liebsten mochte. Sie saß gern auf Eddie – »ritt« ihn, wie sie es nannte –, weil sie es genoß, sein Gesicht zu sehen. Das hing nicht nur damit zusammen, daß Eddies Mienenspiel sie fesselte, weil es ständig
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