Witwe für ein Jahr (German Edition)
Erinnerungen an Thomas und Timothy weckte. Es hatte auch damit zu tun, daß Marion angefangen hatte, von Eddie Abschied zu nehmen, ein Prozeß, der viel tiefere Auswirkungen auf sie hatte, als sie je für möglich gehalten hätte.
Freilich wußte sie, wie nachhaltig sie Eddie beeindruckt hatte, und das beunruhigte sie. Doch wenn sie ihn ansah und wenn sie mit ihm schlief – vor allem wenn sie ihn ansah, während sie mit ihm schlief –, bildete sie sich ein, sehen zu können, daß ihr Sexualleben, das noch einmal so leidenschaftlich (wenn auch kurz) entfacht worden war, dem Ende zuging.
Sie hatte Eddie verschwiegen, daß sie, außer mit ihm, nie mit einem anderen Mann geschlafen hatte als mit Ted. Und sie hatte ihm verschwiegen, daß sie seit dem Tod ihrer Söhne nur ein einziges Mal mit Ted geschlafen hatte – nur weil er darauf bestand – und daß dieses eine Mal nur dem Zweck gedient hatte, sie zu schwängern. (Sie wollte nicht schwanger werden, war aber zu verzweifelt gewesen, um sich zu widersetzen.) Seit Ruths Geburt hatte Marion jegliches Interesse am Sex verloren. Die Sache mit Eddie, von ihrer Seite aus zunächst nur eine freundliche Geste gegenüber einem schüchternen Jungen – an dem sie so viele Ähnlichkeiten mit ihren Söhnen entdeckte –, hatte sich zu einer Beziehung entwickelt, die ihr ungeheuer viel gegeben hatte. Doch obwohl sie erstaunt war, wie sehr Eddie sie zu stimulieren und zu befriedigen vermochte, ließ sie sich von diesem genußvollen Aspekt nicht dazu verleiten, ihre Pläne zu ändern.
Marion wollte nicht nur Ted und Ruth verlassen. Mit ihrem Abschied von Eddie nahm sie auch Abschied von jeglichem Sexualleben – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem sie, jetzt mit neununddreißig, Sex zum erstenmal angenehm und vergnüglich fand!
Zwar waren Marion und Eddie im Sommer 1958 gleich groß, aber Marion war bewußt, daß sie mehr auf die Waage brachte als er; Eddie war klapperdürr. Wenn Marion oben war und sich auf den Jungen herabließ, spürte sie, daß sich ihr ganzes Gewicht und ihre ganze Kraft in den Hüften konzentrierte; wenn Eddie dann wie festgenagelt unter ihr lag, hatte sie manchmal das Gefühl, daß sie diejenige war, die in ihn eindrang. Tatsächlich war die Bewegung ihrer Hüften die einzige Bewegung, die zwischen ihnen stattfand, da Eddie nicht kräftig genug war, um sie hochzuheben. Einen Augenblick gab es, in dem Marion nicht nur das Gefühl hatte, in den Körper des Jungen einzudringen; sie war ziemlich sicher, ihn gelähmt zu haben.
Wenn sie daran, wie er die Luft anhielt, merkte, daß er gleich kam, ließ sie sich auf seine Brust sinken, hielt ihn an beiden Schultern fest und rollte ihn auf sich, weil sie es nicht ertragen konnte, die Verwandlung mit anzusehen, die in seinem Gesicht vor sich ging, wenn er kam. Es lag fast so etwas wie eine Vorahnung von Schmerz darin. Marion konnte es kaum aushalten, ihn wimmern zu hören – und er wimmerte jedesmal. Wie ein Kind, das im Halbschlaf aufschreit, bevor es wieder fest einschläft. Dieser sich wiederholende Moment war in ihrer Beziehung zu Eddie der einzige, der leichte Zweifel bei ihr aufkommen ließ. Wenn er diesen kindlichen Laut ausstieß, bekam Marion jedesmal ein schlechtes Gewissen.
Anschließend lag Eddie mit dem Gesicht an ihrer Brust auf der Seite; Marion fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare. Selbst da konnte sie nicht umhin, seinen Haarschnitt kritisch zu betrachten; sie nahm sich vor, dem Friseur beim nächstenmal zu sagen, er solle im Nacken etwas weniger kürzen. Dann verwarf sie den Gedanken. Der Sommer ging dem Ende zu; es würde kein »nächstes Mal« mehr geben.
Und da stellte Eddie die zweite Frage an diesem Abend. »Erzähl mir von dem Unfall«, sagte er. »Ich meine, weißt du, wie es passiert ist? Hat irgend jemand ihn verschuldet?«
Noch vor einer Sekunde hatte er das Herz in ihrer Brust schlagen und an seine Schläfe pochen hören. Doch nun kam es ihm vor, als wäre es stehengeblieben. Als er den Kopf hob, um ihr ins Gesicht zu sehen, wandte sie ihm bereits den Rücken zu. Diesmal bebten ihre Schultern kein bißchen; ihre Wirbelsäule war gerade, der Rücken steif, die Schultern kantig. Er ging um das Bett herum, kniete sich neben sie und sah ihr in die Augen, die aufgeschlagen waren, aber weit weg; ihre Lippen, im Schlaf voll und leicht geöffnet, waren schmal und geschlossen.
»Es tut mir leid«, flüsterte Eddie. »Ich werde dich nie wieder danach fragen.« Doch Marion
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