Witwe für ein Jahr (German Edition)
verwandt und mochte seinen Nachnamen entweder so gern oder seinen Vornamen so ungern, daß er letzteren nicht verriet. (Als Ted ihn einmal gefragt hatte, wie er mit Vornamen heiße, hatte Mendelssohn nur geantwortet: »Nicht Felix.«)
Ob ihn an diesem Freitag der Anblick von Teds Blut in Aufregung versetzte oder die Tatsache, daß dessen Jeans auf den Boden der Buchhandlung tropften – bei jedem Schritt spritzte buchstäblich Wasser aus seinen Schuhen –, jedenfalls packte Mendelssohn Ted Cole an den schmutzigen Zipfeln seines offen über der Hose hängenden Flanellhemds und rief übertrieben laut: »Das ist ja Ted Cole!«
»Ja, ich bin es wirklich«, gab Ted zu. »Guten Morgen, Mendelssohn.«
»Es ist Ted Cole, wirklich und wahrhaftig!« wiederholte Mendelssohn.
»Tut mir leid, daß ich blute«, sagte Ted gelassen.
»Ach, seien Sie nicht albern, das braucht Ihnen doch nicht leid zu tun!« rief Mendelssohn. Dann wandte er sich an eine verdutzte junge Angestellte, die in der Nähe stand und ein ebenso ehrfürchtiges wie entsetztes Gesicht machte. Mendelssohn befahl ihr, Mr. Cole einen Stuhl zu bringen. »Sehen Sie denn nicht, daß er blutet?« sagte er vorwurfsvoll.
Aber Ted bat darum, erst den Waschraum aufsuchen zu dürfen – er habe soeben einen Unfall gehabt, erklärte er feierlich. Dann schloß er sich in dem kleinen Raum mit Waschbecken und Toilette ein. Er besah sich den Schaden im Spiegel und dachte sich unterdessen – schließlich war er nicht umsonst Schriftsteller – eine Geschichte von unübertrefflicher Schlichtheit aus, was die Art seines »Unfalls« betraf. Er stellte fest, daß das Auge, gegen das ein Zweig dieser teuflischen Hecke geschnalzt war, noch tränte. Aus einer tiefen Schramme an der Stirn sickerte Blut; und über eine Wange zog sich ein Kratzer, der zwar weniger blutete, aber vermutlich langsamer heilen würde. Er wusch sich die Hände; die aufgeschürften Stellen an den Handrücken brannten, hatten aber weitgehend zu bluten aufgehört. Er zog sein Flanellhemd aus und knotete sich die verdreckten Ärmel, von denen einer ebenfalls in den Goldfischteich eingetaucht war, um die Taille.
Ted gönnte sich diesen Moment, um seine Taille zu bewundern; mit fünfundvierzig konnte er sein T-Shirt noch immer in die Jeans stecken und durfte stolz auf das Ergebnis sein. Da es sich jedoch um ein weißes T-Shirt handelte, trugen die auffallenden Grasflecken an der linken Schulter und auf der rechten Brust – er war mindestens zweimal auf einem Stück Rasen ausgerutscht – nicht gerade zur Verbesserung seiner Erscheinung bei; und aus den Jeans, die bis zu den Knien klatschnaß waren, tröpfelte nach wie vor Wasser in seine durchgeweichten Schuhe.
So gefaßt, wie es unter diesen Umständen ging, verließ Ted die Toilette und wurde aufs neue überschwenglich von Mendelssohn-ohne-Vornamen begrüßt, der mittlerweile einen Stuhl für den Autor bereitgestellt hatte. Dieser wurde vor einen Tisch gerückt, auf dem ein paar Dutzend Exemplare von Ted Coles Büchern zum Signieren bereitlagen.
Doch zuerst wollte Ted noch einen Anruf erledigen, zwei, um genau zu sein. Er versuchte es im Kutscherhaus, um festzustellen, ob Eddie dort war; niemand nahm ab. Und in seinem eigenen Haus nahm natürlich auch niemand ab – Marion war nicht so dumm, an diesem bis in alle Einzelheiten geplanten Freitag ans Telefon zu gehen. Hatte Eddie vielleicht einen Unfall gebaut? Auf dem Hinweg war er ziemlich unberechenbar gefahren. Zweifellos hatte Marion den Jungen dumm und dämlich gefickt! lautete Teds Schlußfolgerung.
Obwohl Marion diesen Freitag so sorgfältig geplant hatte, war es ein Irrtum gewesen, anzunehmen, daß Ted keine andere Möglichkeit hatte, nach Hause zu gelangen, als den weiten Weg bis zur Praxis seines Squashgegners Dr. Leonardis zu Fuß zurückzulegen und dort zu warten, bis er oder einer seiner Patienten ihn nach Sagaponack fuhr. Dave Leonardis’ Praxis befand sich auf der anderen Seite von Southampton, an der Schnellstraße nach Montauk; die Buchhandlung lag nicht nur näher bei Mrs. Vaughns Haus, Ted konnte auch ziemlich sicher davon ausgehen, daß man ihm dort weiterhelfen würde. Ted Cole hätte fast in jede Buchhandlung auf der Welt gehen und darum bitten können, nach Hause gefahren zu werden.
Und genau das tat er auch, kaum daß er sich an den Tisch gesetzt hatte, um seine Bücher zu signieren.
»Um es kurz zu machen: Ich brauche jemanden, der mich heimfährt«, sagte der berühmte
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