Witwe für ein Jahr (German Edition)
Autor.
»Der Sie heimfährt?« rief Mendelssohn. »Aber gewiß doch! Kein Problem! Sie wohnen doch in Sagaponack, oder irre ich mich? Ich bringe Sie selbst nach Hause! Ich muß nur noch meine Frau anrufen. Vielleicht ist sie beim Einkaufen, aber es wird nicht lange dauern. Mein Wagen ist nämlich in der Werkstatt.«
»Hoffentlich nicht in derselben wie meiner«, entgegnete Ted. »Ich habe meinen gerade aus der Werkstatt zurückbekommen. Sie haben vergessen, die Lenksäule wieder festzuschrauben. Es war wie in dem Cartoon, den jeder kennt: Ich hatte das Lenkrad in der Hand, aber es war nicht mit den Rädern verbunden. Ich habe in eine Richtung gesteuert, und der Wagen ist geradeaus weitergefahren und von der Straße abgekommen. Zum Glück habe ich nur eine Ligusterhecke erwischt, ein Riesending. Als ich durch das Fenster auf der Fahrerseite rausgeklettert bin, habe ich mich an den Büschen aufgeschürft. Und danach bin ich aus Versehen in einen Goldfischteich getreten«, erläuterte Ted.
Jetzt hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Mendelssohn, der neben dem Telefon schwebte, zögerte den Anruf bei seiner Frau hinaus, und die junge Buchhändlerin, die ihn vorher so verdutzt angesehen hatte, lächelte. Ted fühlte sich grundsätzlich nicht zu Frauen ihres Typs hingezogen, aber wer weiß, vielleicht ergab sich etwas, wenn sie sich erbot, ihn nach Hause zu fahren.
Wahrscheinlich kam sie ziemlich frisch vom College; rein äußerlich – ungeschminkt, glattes Haar, keine Sonnenbräune – war sie eine Vorläuferin des kommenden Jahrzehnts. Sie war nicht hübsch – offen gestanden sah sie ausgesprochen langweilig aus –, aber ihr blasser Teint war für Ted Ausdruck einer gewissen Offenheit in sexuellen Dingen; er erkannte, daß ihr bewußt schlichtes Äußeres unter anderem eine Aufgeschlossenheit für Erfahrungen widerspiegelte, die sie vermutlich als »kreativ« bezeichnet hätte. Sie gehörte zu jener Sorte junger Frauen, die sich intellektuell verführen lassen. (Daß Ted so schäbig daherkam, wertete ihn in ihren Augen womöglich sogar auf.) Und da sie noch so jung war, daß sexuelle Begegnungen für sie den Reiz des Neuen besaßen, betrachtete sie sie bestimmt als »authentisch« – zumal mit einem berühmten Schriftsteller.
Leider hatte sie kein Auto. »Ich fahre mit dem Fahrrad«, erklärte sie Ted, »sonst würde ich Sie heimbringen.«
Zu dumm, dachte Ted, tröstete sich jedoch mit dem Argument, daß ihn die Diskrepanz zwischen ihrer schmalen Unterlippe und der extrem üppigen Oberlippe ohnehin störte. Mendelssohn ärgerte sich, weil seine Frau noch immer beim Einkaufen war. Immer wieder rief er an und versicherte Ted, sie müsse bald zurücksein. Ein junger Mann mit einem undefinierbaren Sprachfehler, der einzige andere Angestellte, der sich an diesem Freitagvormittag in der Buchhandlung befand, meinte, er bedauere es sehr, aber er habe sein Auto einem Freund geliehen, der an den Strand habe fahren wollen.
Ted saß da und signierte gemächlich seine Bücher. Es war erst zehn Uhr. Hätte Marion gewußt, wo Ted sich aufhielt und wie rasch er womöglich jemanden fand, der ihn nach Hause fuhr, wäre sie vielleicht in Panik geraten. Hätte Eddie gewußt, daß Ted in der Buchhandlung gegenüber dem Rahmengeschäft Bücher signierte, während er sich nachdrücklich darauf berief, daß das Foto mit den Füßen eigentlich hätte fertig sein müssen, damit Ruth es mit nach Hause nehmen konnte, wäre der junge Mann womöglich auch in Panik geraten.
Für Ted hingegen bestand kein Grund zur Panik. Er wußte nicht, daß seine Frau dabei war, ihn zu verlassen, sondern bildete sich nach wie vor ein, er würde sie verlassen. Und er war von der Straße weg und damit in Sicherheit (vor Mrs. Vaughn). Selbst wenn Mendelssohns Frau überhaupt nicht mehr vom Einkaufen zurückkam, war es bestimmt nur eine Frage von Minuten, bis ein treuer Ted-Cole-Leser die Buchhandlung betrat. Wahrscheinlich eine Frau, und Ted mußte ihr wohl oder übel eines seiner signierten Bücher kaufen, aber sie würde ihn nach Hause fahren. Und wenn sie gut aussah und so weiter und so fort, wer weiß, was sich daraus entwickeln konnte? Kein Grund also, vormittags um zehn in Panik zu geraten, dachte Ted.
Er hatte ja keine Ahnung.
Wie aus dem Schriftstellerassistentenein Schriftsteller wurde
Unterdessen fand Eddie im Rahmengeschäft schräg gegenüber seine Stimme. Anfangs war ihm die gewaltige Veränderung, die in ihm vorging, gar nicht bewußt;
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