Witwe für ein Jahr (German Edition)
dauern, bis ihm klar wurde, daß Penny Pierce ihm mehr als einen Job angeboten hatte. Seine neuerworbene »Autorität« war so neu für ihn, daß er sich noch gar nicht in vollem Umfang klarmachte, wieviel er damit bewirken konnte.
Ein nahezu biblischer Augenblick
Unterdessen erklomm Ted Cole in der Buchhandlung am Signiertisch kalligraphische Höhen. Seine bedächtige, wie gemeißelt wirkende Unterschrift war von vollendeter Schönheit. Für einen Schriftsteller, der so kurze Bücher schrieb und vor allem so wenige, war sein Namenszug ein Liebesbeweis. (Ein Beweis für seine Eigen liebe, wie Marion Eddie gegenüber meinte.) Für all jene Buchhändler, die sich häufig darüber beklagten, daß die Unterschriften von Autoren hingehauene Krakel seien, so schlecht zu entziffern wie ärztliche Rezepte, war Ted Cole der König der Autogrammgeber. Seine Unterschrift hatte nichts Hingeschludertes, nicht einmal auf einem Scheck. Sie glich eher einer kursiven Druckschrift als einer Handschrift.
Ted beschwerte sich über die vorhandenen Kugelschreiber. Er sprengte Mendelssohn im Laden herum und ließ ihn nach einem idealen Schreibgerät suchen; es mußte ein Füller sein, der genau die richtige Feder hatte. Und die Tinte mußte entweder schwarz sein oder genau den richtigen Rotton haben. (»Eher wie Blut als wie ein Feuerwehrauto«, erklärte Ted dem Buchhändler.) Blau kam nicht in Frage, denn Blautöne jeder Art waren Ted ein Greuel.
Und so kam es, daß Eddie Glück hatte. Während er Ruth an der Hand nahm und mit ihr zum Chevy zurückkehrte, ließ Ted sich Zeit. Er wußte, daß jeder Autogrammjäger, der auf ihn zukam, eine potentielle Heimfahrgelegenheit bedeutete, aber Ted war heikel; er wollte nicht einfach mit irgend jemandem fahren.
Zum Beispiel machte Mendelssohn ihn mit einer Frau bekannt, die in Wainscott wohnte. Mrs. Hickenlooper sagte, sie würde sich glücklich schätzen, Ted vor seinem Haus in Sagaponack abzusetzen. Es sei wirklich kein Umweg für sie. Allerdings habe sie noch ein paar Einkäufe in Southampton zu erledigen. Dafür benötige sie eine gute Stunde, und danach könne sie gern noch einmal in der Buchhandlung vorbeikommen. Aber Ted meinte, sie brauche sich nicht die Mühe zu machen; er sei überzeugt, daß sich bis dahin eine andere Möglichkeit ergeben würde.
»Aber es macht mir wirklich nichts aus«, versicherte ihm Mrs. Hickenlooper.
Mir aber! dachte Ted und winkte die Frau liebenswürdig weg. Sie zog mit einem signierten Exemplar der Maus, die in der Wand krabbelt ab, das Ted gewissenhaft ihren fünf Kindern gewidmet hatte. Eigentlich hätte sie fünf Bücher kaufen müssen, fand Ted, während er pflichtschuldig das eine signierte und alle fünf Namen des Hickenlooperschen Nachwuchses auf eine Seite zwängte.
»Meine Kinder sind inzwischen alle erwachsen«, erklärte ihm Mrs. Hickenlooper, »aber als sie klein waren, haben sie Ihre Bücher über alles geliebt.«
Ted lächelte nur. Mrs. Hickenlooper ging stracks auf die Fünfzig zu. Sie hatte Hüften wie ein Maulesel. Ihre ganze Erscheinung wirkte ländlich und kompakt. Wie es aussah, arbeitete sie viel im Garten; sie trug einen weiten Baumwollrock, und ihre Knie waren rot und erdverschmutzt. »Man kann schlecht Unkraut jäten, ohne sich hinzuknien!« hatte Ted sie zu einem anderen Kunden in der Buchhandlung sagen hören. Er gärtnerte offenbar auch, denn die beiden verglichen Pflanzenbücher.
Teds herablassende Haltung gegenüber Gärtnern war keineswegs gerechtfertigt. Immerhin verdankte er es Mrs. Vaughns Gärtner, daß er noch am Leben war, denn hätte der Mann ihn nicht mutig gewarnt, wäre Ted dem schwarzen Lincoln womöglich nicht entronnen. Trotzdem war Mrs. Hickenlooper einfach nicht das, was Ted sich für die Heimfahrt vorgestellt hatte.
Dann erblickte er eine vielversprechende Kandidatin. Ein zurückhaltendes junges Mädchen, auf alle Fälle alt genug, um den Führerschein zu haben, war auf dem Weg zum Signiertisch zögernd stehengeblieben; sie betrachtete den berühmten Autor und Illustrator mit jener typischen Mischung aus Schüchternheit und Übermut, die Ted mit jungen Mädchen in Verbindung brachte, die in absehbarer Zeit fraulichere Eigenschaften entwickeln würden. Das Zögern von heute würde sich binnen weniger Jahre in Berechnung verwandeln, wenn nicht gar Schläue. Und ihre jetzige Ausgelassenheit, ja Dreistigkeit, würde sie bald besser bezähmen. Sie war mindestens siebzehn, aber noch keine Zwanzig; und sie war
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