Witwe für ein Jahr (German Edition)
ebenso lebhaft wie befangen, ebenso unsicher wie erpicht darauf, sich auszuprobieren. Sie war ein wenig unbeholfen, aber keck. Wahrscheinlich noch Jungfrau, dachte Ted; zumindest sehr unerfahren, davon war er überzeugt.
»Hallo«, sagte er.
Das hübsche Mädchen, das fast schon eine Frau war, war so verblüfft über Teds unverhoffte Aufmerksamkeit, daß es ihr die Sprache verschlug; ihr Gesicht lief tiefrot an, in einem Farbton zwischen Blut und Feuerwehrauto. Ihre Freundin, ein ziemlich reizloses, dümmlich wirkendes Geschöpf, brach in prustendes Gekicher aus. Ted hatte nicht mitbekommen, daß sich das hübsche Mädchen in Begleitung einer häßlichen Freundin befand. Hatte man bei einer vielversprechend aussehenden jungen Frau, die für sexuelle Avancen empfänglich war, nicht immer auch mit einer einfältigen, unscheinbaren Kameradin zu kämpfen?
Doch Ted ließ sich von der Begleiterin nicht einschüchtern. Wenn überhaupt, betrachtete er sie als reizvolle Herausforderung; obwohl ihre Gegenwart wahrscheinlich bedeutete, daß er die hübsche junge Frau heute nicht ins Bett kriegen würde, war die Vorstellung, sie zu verführen, schon verlockend genug. Wie Marion Eddie gegenüber betont hatte, war das Prickelnde für Ted weniger der eigentliche Akt als die Vorfreude. Ihm schien es weniger darauf anzukommen, eine Frau flachzulegen, als sich darauf zu freuen.
»Hallo«, brachte das hübsche Mädchen schließlich hervor.
Ihre birnenförmige Begleiterin konnte nicht an sich halten. »Sie hat ihre Seminararbeit in Englisch über Sie geschrieben!« sagte sie und brachte ihre Freundin damit furchtbar in Verlegenheit.
»Halt den Mund, Effie!« sagte das hübsche Mädchen.
Sie geht also aufs College, folgerte Ted; vermutlich hatte es ihr Die Tür im Boden angetan.
»Welches Thema hatte denn Ihre Seminararbeit?« erkundigte sich Ted.
»›Eine Analyse der atavistischen Angstsymbole in Die Tür im Boden ‹«, antwortete das hübsche Mädchen, das sich sichtlich genierte. »Na ja, daß zum Beispiel der Junge nicht sicher ist, ob er auf die Welt kommen will, und daß die Mutter nicht sicher ist, ob sie ihn auf die Welt bringen will. Das erinnert sehr an primitive Völker. Primitive Stämme haben solche Ängste. Und ihre Mythen und Märchen sind voller entsprechender Bilder: Zaubertüren, Kinder, die verschwinden, und Menschen, die solche Angst haben, daß ihr Haar über Nacht schlohweiß wird. In diesen Mythen und Märchen gibt es auch viele Tiere, die plötzlich ihre Größe verändern können, wie die Schlange – die Schlange kommt bei primitiven Stämmen natürlich auch vor …«
»Natürlich«, pflichtete Ted ihr bei. »Wie umfangreich war denn diese Arbeit?«
»Zwölf Seiten«, sagte das hübsche Mädchen, »ohne die Fußnoten und die Bibliographie.«
Ohne die Illustrationen – wenn man nur die Manuskriptseiten zählte, ganz normal mit zweizeiligem Abstand getippt – umfaßte Die Tür im Boden nur eineinhalb Seiten; trotzdem war die Geschichte in Form eines richtigen Buches erschienen, und College-Studenten durften Seminararbeiten darüber schreiben. So ein Witz! dachte Ted.
Die Lippen des Mädchens gefielen ihm; ihr Mund war klein und rund. Und ihre Brüste waren voll, fast schon dick. In ein paar Jahren würde sie mit ihrem Gewicht zu kämpfen haben, doch jetzt besaß ihre Rundlichkeit einen gewissen Reiz, denn noch hatte sie eine Taille. Ted beurteilte Frauen mit Vorliebe nach ihrem Konstitutionstypus; bei den meisten glaubte er sich gut vorstellen zu können, was die Zeit mit ihrem Körper anstellen würde. Diese hier würde ein Baby bekommen und ihre Taille einbüßen; außerdem bestand die Gefahr, daß ihre Hüften den Körper irgendwann beherrschten; vorerst war ihre Üppigkeit noch gebändigt, wenn auch nur mühsam. Mit dreißig wird sie genauso birnenförmig sein wie ihre Freundin, dachte Ted, doch laut fragte er nur: »Wie heißen Sie?«
»Glorie, nicht mit y , sondern mit ie «, antwortete sie. »Und das hier ist Effie.«
Dir werde ich was Atavistisches zeigen, Glorie, dachte Ted. Wurden bei primitiven Stämmen nicht häufig fünfundvierzigjährige Männer und achtzehnjährige Mädchen miteinander verheiratet? Dir werde ich was Primitives zeigen, dachte Ted, doch laut sagte er: »Ich nehme nicht an, daß Sie ein Auto haben. Ob Sie es glauben oder nicht, ich brauche jemanden, der mich heimfährt.«
Ob Sie es glauben oder nicht, nachdem Mrs. Vaughn Ted aus den Augen verloren hatte, richtete
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