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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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fragte Ted Eddie.
    »Nein. Wir sollten rüber ins Kutscherhaus fahren und nachsehen, ob Marion irgendwas dagelassen hat.«
    »Gute Idee«, sagte Ted. »Du fährst.«
    Zunächst konnten sie in der trostlosen Mietwohnung über der Garage nichts entdecken. Die wenigen Kleidungsstücke, die Marion hier deponiert hatte, hatte sie mitgenommen, und nur Eddie wußte – und würde es immer zu schätzen wissen –, was sie mit der hellrosa Kaschmirjacke und dem veilchenfarbenen Seidenhemdchen samt dazu passendem Höschen gemacht hatte. Von den wenigen Fotos, die Marion für die Sommermonate im Kutscherhaus aufgehängt hatte, waren alle bis auf eines verschwunden. Das Foto, das über dem Bett hing, hatte sie dagelassen: Thomas und Timothy im Eingang des Hauptgebäudes der Exeter Academy, an der Schwelle zum Mannesalter – in ihrem letzten Jahr in Exeter.
    HVC VENITE PVERI VT VIRI SITIS
    »Kommt herbei, ihr Knaben …«, hatte Marion flüsternd übersetzt, »… auf daß ihr zu Männern werdet.«
    Es war das Foto, das den Schauplatz von Eddies sexueller Initiation kennzeichnete. An der Glasscheibe war mit Tesafilm ein Zettel befestigt. Unverkennbar Marions Handschrift.
    für Eddie
    »Für dich?« schrie Ted. Er riß den Zettel herunter. Den Rest Tesafilm kratzte er mit dem Fingernagel ab. »Es ist nicht für dich, Eddie. Das sind meine Söhne. Es ist das einzige Foto, das ich von ihnen habe!«
    Eddie widersprach nicht. Er konnte sich auch ohne das Foto recht gut an die lateinische Inschrift erinnern. Er würde noch zwei Jahre in Exeter bleiben und oft genug durch diesen Eingang und unter dieser Inschrift hindurchgehen. Er brauchte kein Foto von Thomas und Timothy; sie brauchte er nicht in Erinnerung zu behalten. Und an Marion konnte er sich auch ohne die beiden Jungen erinnern; er hatte sie nur ohne ihre Söhne gekannt, wenngleich er zugeben mußte, daß sie stets gegenwärtig gewesen waren.
    »Natürlich gehört es dir«, sagte Eddie.
    »Darauf kannst du deinen Arsch wetten«, meinte Ted. »Wie konnte sie es nur dir geben?«
    »Ich weiß es nicht«, log Eddie. Binnen eines Tages war »Ich weiß es nicht« jedermanns Antwort auf alles geworden.
    So kam es, daß Ted das Foto von Thomas und Timothy im Eingang zur Exeter Academy behielt. Es war eine bessere Aufnahme von den beiden als jene Teilansicht – ihre Füße –, die jetzt in Ruths Schlafzimmer hing. Ted hängte das Foto von seinen Söhnen ins Elternschlafzimmer an einen der vielen verfügbaren leeren Bilderhaken.
    Als Ted und Eddie die schäbige Wohnung über der Garage verließen, nahm Eddie seine wenigen Habseligkeiten mit; er wollte packen. Er wartete darauf, daß Ted ihn hinauswarf; Ted tat ihm den Gefallen auf der Rückfahrt zum Haus in der Parsonage Lane.
    »Was ist morgen, Samstag?« fragte er.
    »Ja, Samstag«, bestätigte Eddie.
    »Ich möchte, daß du morgen von hier verschwindest. Spätestens Sonntag«, sagte Ted.
    »Okay. Ich muß nur noch jemanden finden, der mich zur Fähre bringt.«
    »Alice kann dich hinbringen.«
    Eddie hielt es nicht für klug, Ted zu sagen, daß Marion auch schon gemeint hatte, am ehesten könnte ihn Alice nach Orient Point bringen.
    Als sie nach Hause kamen, hatte sich Ruth in den Schlaf geweint – das Abendessen hatte sie verweigert –, und Alice weinte oben im Flur still vor sich hin. Die Situation hatte sie mehr mitgenommen, als man von einer College-Studentin erwartet hätte. Eddie konnte nicht viel Mitgefühl für sie aufbringen; sie war ein Snob und hatte ihm gegenüber ihre vermeintliche Überlegenheit sofort ausgespielt. (Dabei bestand ihre einzige Überlegenheit darin, daß sie ein paar Jahre älter war als er.)
    Ted half ihr die Treppe hinunter und gab ihr ein sauberes Taschentuch, damit sie sich schneuzen konnte. »Tut mir leid, daß wir dich mit all dem belasten«, sagte Ted zu dem jungen Mädchen, was sie jedoch auch nicht tröstete.
    »Mein Vater hat meine Mutter verlassen, als ich noch klein war«, schniefte Alice. »Mir reicht’s. Ich gehe. Ja, ich gehe jetzt einfach. Und du solltest soviel Anstand besitzen, auch zu gehen«, fügte sie, zu Eddie gewandt, hinzu.
    »Es ist zu spät, um freiwillig zu gehen, Alice«, sagte Eddie. »ich bin soeben rausgeworfen worden.«
    »Ich wußte ja gar nicht, daß du so überheblich bist und dir so überlegen vorkommst, Alice«, sagte Ted.
    »Mir gegenüber hat Alice den ganzen Sommer ihre Überlegenheit demonstriert«, sagte Eddie zu Ted. Dieser Teil der Veränderung, die in ihm

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