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Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Titel: Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Belkowski
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Brief urbi et orbi »Heraus aus der Sackgasse«. Initiator war Boris Beresowski, der danach in Ungnade gefallene russische Geschäftsmann, der damals durchaus einflussreich war und Zugang zum Kreml hatte. Autor des Textes war der durch Skandale bekannt gewordene Theaterregisseur Sergei Kurginjan. Die grundlegende Idee des Briefes bestand darin, die Präsidentschaftswahlen, bei denen Boris Jelzin zur Niederlage verurteilt war, auszusetzen und durch einen politischen Pakt zu ersetzen, dessen wesentlicher Bestandteil lautete: Jelzin bleibt Staatsoberhaupt, Sjuganow wird Ministerpräsident und bildet die Regierung. Wie es in dem Papier hieß, »muss man sich entscheiden zwischen einem Krieg vor der Wahl und einem Frieden nach der Wahl«.
    Ein mögliches Szenario zur Aussetzung der Wahl wurde damals im Kreml und seiner Umgebung stark diskutiert. Jelzins Mitstreiter in jener Zeit, allen voran der Leiter seiner Wachmannschaft Alexander Korschakow, waren davon überzeugt, man müsse die Wahlen um zwei Jahre verschieben. Denn den Wahlkampf hätte das alternde und trinkende Staatsoberhaupt mit seinen Herzproblemen physisch nicht durchgestanden. Daher dachte man sich verschiedene politische Begründungen aus. Zum Beispiel stimmte die Staatsduma im April 1996 unerwartet für die Kündigung der Verträge von Belowesch (1991), nach denen die Sowjetunion aufgelöst worden war. Jelzins Assistent für innenpolitische Fragen, Georgi Satarow (heute bekannt als äußerst liberaler und aufmüpfiger Politologe), ging damals unverzüglich bei den nationalen Fernsehkanälen auf Sendung und verkündete, die Duma habe faktisch die Existenz der Russischen Föderation als selbstständiger unabhängiger Staat annulliert, und unter diesen Umständen könne man die Präsidentenwahlen nicht wie geplant durchführen.
    Alles änderte sich nach dem Forum von Davos 1996, wo die einflussreichsten russischen Geschäftsmänner und Oligarchen sich darin einig wurden, man müsse Jelzin um jeden Preis in eine zweite Amtszeit als Präsident hinüberretten. Die Motivation für diese Entscheidung formulierte der allgegenwärtige und damals unersetzbare Beresowski: Der Loser Boris Jelzin wird uns allen zu Dank verpflichtet sein, und dann ist er Wachs in unseren Händen. Mit dem Gewinner Sjuganow ist dies nicht möglich – wir würden nur in seiner Pflicht stehen.
    Beresowski sollte recht behalten. Aber nicht nur deshalb, weil er die richtige Strategie vorgeschlagen hatte, sondern eher, weil er die Bereitschaft des Kommunistenführers zu einer politischen Kapitulation richtig eingeschätzt hatte. Und zwar ohne sichtbare und greifbare äußere Gründe. Aufgrund der Übereinkünfte von Davos wurde ein neuer Wahlstab für Jelzin gebildet, in dem es keine (für die liberale Öffentlichkeit) anrüchigen Figuren des Typus Korschakow mehr gab. Die Schlüsselrollen in diesem Wahlstab kamen Boris Beresowski, dem damaligen Eigentümer des Fernsehsenders NTW Wladimir Gussinski sowie dem Inhaber der Aktienmehrheit an der Firma Norilsk Nickel Wladimir Potanin zu.
    Die unmittelbare Realisierung des Projekts von Jelzins Wiederwahl, ausgehend von den Tiefen seiner anfänglichen 2 Prozent, leiteten de facto vier Personen: Walentin Jumaschew (der künftige Schwiegersohn von Jelzin und sein ständiger Biograf, Leiter der Präsidentenadministration 1997/98), Anatoli Tschubais (nach Gaidar die zweite Ikone des russischen Liberalismus, Leiter der Präsidentenadministration der Russischen Föderation 1996/97), Igor Malaschenko (1996 Präsident des Fernsehsenders NTW und Kandidat für den Posten des Leiters der Präsidentenadministration) und schließlich der oben erwähnte Boris Beresowski selbst, der aufgrund seiner politischen Ambitionen sowohl als Stellvertretender Sekretär des russischen Sicherheitsrats als auch als geschäftsführender Sekretär der GUS-Staaten gedient hatte, jedoch nicht den wichtigsten angestrebten amtspolitischen Hauptpreis erlangt hatte – den Posten des Vorsitzenden des Direktorenrats von Gazprom.
    Angeblich dachte sich dieser Stab einige kreative Rezepte aus, wodurch sich die Wahlkampfsituation im Handumdrehen veränderte. Das ist Unsinn. Der Stab setzte auf ein einfaches und leicht nachvollziehbares Szenario: die Fälschung der Wahlergebnisse. Denn einen ehrlichen Kampf hätte Jelzin nie gewinnen können, wer auch immer sein Gegner gewesen wäre. Alles Übrige, einschließlich der bekannten Wahlkampagne »Stimm ab oder verliere!«, die in die russischen

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