Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
seines Vaters ist Edelstein) habe bereits in den 1970er-Jahren für den KGB der UdSSR in Kreisen sowjetischer Juden gearbeitet, die eine Ausreise nach Israel beantragt hatten. Das heißt, zur sowjetischen Macht hatte Herr Schirinowski ein durchaus spezielles Verhältnis.
Im August 1991 war die LDP der UdSSR die einzige politische Macht im Land, die den Anti-Gorbatschow-Putsch, den Ausnahmezustand und die Schaffung des Staatlichen Komitees für den Ausnahmezustand (GKTschP) unter Leitung des Vizepräsidenten der Sowjetunion, Gennadi Janajew, unterstützte. Bekanntlich scheiterte der Putsch, und die ihn angezettelt hatten, kamen ins Gefängnis.
Aber Schirinowski scheiterte nicht. Leicht fand er sich in der neuen, postsowjetischen politischen Realität zurecht. Die Liberal-Demokratische Partei eignete sich alle Losungen des zwei Monate vorher zusammengeschossenen Obersten Sowjets von Russland an, beanspruchte die Lorbeeren der Tragödie (die eigentlichen Verteidiger des Weißen Hauses saßen zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis) und gewann im Dezember 1993 das erste Mal nach 1911 die Wahlen zur Staatsduma, wobei sie 22 Prozent der Stimmen erhielt und den ersten Platz in der Gesamtwertung einnahm. Damit lag sie vor der »Regierungspartei«, deren Rolle in dieser Zeit »Wahl Russlands« spielte – eine poröse Koalition anerkannter Liberaler unter Jegor Gaidar, der damaligen Ikone des russischen Liberalismus, kommissarischer Ministerpräsident und erster Ideologe radikaler Marktreformen der 1990er-Jahre.
Die progressive Öffentlichkeit war schockiert. Ihr schien, als käme der sowjetische Totalitarismus zurück, dazu noch mit faschistoidem Anstrich. (Schon viele Jahre tritt der Anführer der LDPR mit der Losung »Wir sind für die Russen, wir sind für die Armen!« auf, wobei er selbst recht wohlhabend ist.)
Aber die Befürchtungen waren unnötig. Nach seinem Sieg versuchte Schirinowski nicht, die reale Macht zu erlangen, sondern wollte in den Kreml. Dort einigte er sich mit Boris Jelzin und seiner Administration. Von nun an wurde die LDPR ein zuverlässiger Verbündeter der Regierung in allen Schlüsselfragen und erhielt dafür im Gegenzug finanzielle Unterstützung und administrative Garantien einer ständigen Wiederwahl in die Duma.
In zweitrangigen und nebensächlichen Dingen konnte Schirinowski ungemütlich werden, und in diesen Fällen stimmte die LDPR ganz dreist mit Nein. In der Regel geschah das immer dann, wenn von ihren Stimmen nichts abhing, weil die Stimmenmehrheit auch ohne die LDPR zusammenkam. In allen prinzipiellen Dingen jedoch – sei es die Bestätigung der Kandidatur eines »volksfeindlichen« Ministerpräsidenten, die Abstimmung über den Staatshaushalt oder gegen die Amtsenthebung von Boris Jelzin (1999) – solidarisierte sich die Fraktion der LDPR im Parlament stets mit dem Kreml.
Bis zum heutigen Tag sind die sogenannten Liberaldemokraten von Schirinowski im russischen Parlament die zuverlässigste und treuste Stütze des Kremls (das heißt, in hohem Maße unseres Helden Wladimir Putin). Sogar die Vertreter der wichtigsten Kremlpartei »Einiges Russland« können manchmal rebellieren und mäkeln. Die LDPR tut das nie.
Den treulosen Weg von Schirinowski schlug auch Gennadi Sjuganow ein, der Anführer aller Vertreter des russischen Kommunismus. Die von ihm (bis heute) geleitete Kommunistische Partei der Russischen Föderation gewann die Wahlen 1995 (indem sie die entscheidenden 22 Prozent der Stimmen erhielt). 1996, nach einer weiteren Präsidentenwahl in Russland, hatte Sjuganow reale Chancen, die Oberhand zu gewinnen und Herr im Kreml zu werden. Mit Stand von Januar 1996 lagen nach Angaben soziologischer Untersuchungen die Umfragewerte für Sjuganow über 30 Prozent, die für Jelzin bei 2 (!) Prozent. Der Anführer der KPRF hatte seinen Wahlkampf recht selbstsicher geführt, und zum Frühjahr 1996 gab es keinerlei Zweifel mehr, dass er die Wahlen gewinnen und der zweite demokratisch gewählte Präsident von Russland nach Jelzin werden würde.
Im Grunde waren die russischen Eliten bereits darauf vorbereitet. Wie die Politikerin Irina Chakamada damals sagte, standen die reichen und bekannten Leute bei Sjuganow Schlange. (Dieser Satz fiel auf der Präsentation von Chakamadas Buch Allgemeine Sache im Moskauer Café »Nostalgie«.) Im März 1996 unterschrieben dreizehn bekannte Geschäftsmänner, darunter der heute durch seine Gefängnisgeschichte bekannte Michail Chodorkowski, einen offenen
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