Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
bremste damit für eine unbestimmte historische Dauer die Verwandlung Russlands vom formlosen Bruchstück eines Imperiums in einen modernen Nationalstaat europäischen Musters.
Und für diese – realen und nicht imaginären – Taten wird die Geschichte Wladimir Putin eine gewaltige Rechnung präsentieren.
Kapitel 20: Putin und die russische Opposition – Zwillingsbrüder
Weit verbreitet ist die Auffassung, Wladimir Putin habe während seiner gesamten Regierungszeit die russische Opposition auf Schritt und Tritt gehemmt, sie terrorisiert und unterdrückt und ihr alle Möglichkeiten für eine legale politische Tätigkeit genommen, nur um sie nicht an die Macht zu lassen. Ich riskiere die Behauptung, dass das nicht stimmt.
In der einen oder anderen Form habe ich mehr als zehn Jahre lang mit der Opposition zusammengearbeitet: von 2001 bis Anfang 2012. Dabei empfand ich große Erleichterung, als die Zusammenarbeit beendet war. Später meinte ich, ich hätte diese zehn fruchtlosen Jahre nur deshalb erlebt, weil ich an Masochismus und einer Art Minderwertigkeitskomplex litt. Nachdem ich bei einem erfahrenen Psychotherapeuten Hilfe gesucht hatte – bei mir selbst –, rottete ich dieses psychische Leiden mit Stumpf und Stiel aus und verätzte die Wunde mit einem glühenden Eisen.
Mir wurde bewusst, wie sinnlos es war, die heutige Opposition im modernen Russland zu unterstützen. Dabei war es völlig bedeutungslos, wie man sie unterstützte: finanziell, ideologisch, moralisch oder psychologisch. Denn die Opposition in Russland kämpfte nicht um die Macht. All diese Jahre war sie ein Teil der Macht, ihrer politischen und polittechnologischen Maschinerie. Die verschiedenen Oppositionellen kämpften weniger gegen die Regierung als gegen einander, und zwar um vorteilhafte Positionen innerhalb von Wladimir Putins System. Man könnte mir entgegenhalten, dass das in autoritären Gesellschaften oft vorkommt. Ja, das tut es. Aber durchaus nicht immer.
Der verstorbene Machthaber in Venezuela Hugo Chávez hatte ebenfalls einen Hang zum Autoritarismus und tat alles für die Festigung eines Regimes seiner räumlich wie auch zeitlich unbegrenzten Macht. (Der Herrgott gebot ihm auf allereinfachste und kompromisslose Weise Einhalt – im 59. Jahr seines ungestümen Lebens.) Dennoch hat es unter ihm immer eine völlig reale und handlungsfähige Opposition gegeben. Deren derzeitiger Führer Henrique Capriles Radonski (man beachte: er wurde 1972 geboren, ist also noch recht jung) ließ sich nicht nur auf den Gouverneursposten eines der Bundesstaaten wählen, sondern bot auch Chávez selbst bei den Präsidentenwahlen 2012 erfolgreich Paroli, indem er 44 Prozent der Stimmen erhielt, also nur etwas weniger als der Autokrat selbst. Nach dem Tod des venezolanischen Herrschers lag er bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen 2013 nur knapp hinter dem Nachfolger Nicolás Maduro, indem er 49 Prozent der Wählerstimmen erhielt.
In Russland starb die Opposition alter Prägung im Oktober 1993. Sie verbrannte im Feuer des Weißen Hauses, im damaligen Haus des russischen Parlaments, das Boris Jelzin aufgelöst hatte und das danach auf seinen Befehl von Panzern beschossen wurde. Seitdem sind alle offiziellen Regimegegner ausschließlich damit beschäftigt, ihr aufkeimendes oder rudimentäres politisches Potenzial gegen das Wohlwollen des Kremls zu tauschen, das sich in finanziellen oder anderen, vergleichbaren Formen ausdrückt.
Wegbereiter einer solchen Herangehensweise und Schöpfer eines neuen oppositionellen Modells war fraglos Wladimir Schirinowski, Gründer und seit 1991 ständiges Oberhaupt der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR). Er war bereits 1990 als Gründer der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) der damals noch nicht zusammengebrochenen UdSSR in die große Politik gegangen. Initiiert hatte die Gründung dieser Partei das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei.
Bei der kommunistischen Leitung war damals bereits eine gewisse Vorstellung über politische Technologien herangereift. In der Endphase der politischen Existenz der KPdSU musste es einen künstlich geschaffenen, virtuellen Sparringpartner geben, um die Illusion einer Vielparteienlandschaft zu erzeugen. Schirinowski, ein begabter und charismatischer Mann (wenn auch damals öffentlich kaum bekannt), wurde für die Ausführung dieses Plans ausgewählt. Das war kein Zufall. Gewisse Quellen behaupten, der Politiker (geboren 1946 in Kasachstan, der eigentliche Name
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