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Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Titel: Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Belkowski
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Diamantenstaub in der Hausknechtwohnung im Roman Zwölf Stühle von Ilf und Petrow.
    Übrigens musste auch das »Andere Russland« die Erwartungen seiner ständigen und situativen Anhänger enttäuschen. Fast augenblicklich setzte zwischen Kassjanow, Kasparow und Limonow ein stiller, aber erbitterter Kampf um die Vorherrschaft ein, besonders in der Frage um die Benennung eines gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten der Koalition. (Als hätte der Kreml die Registrierung dieses Kandidaten zugelassen, haha.) Anfangs meinte man (stillschweigend), von der gesamten systemfeindlichen Opposition müsse Kassjanow der Anwärter auf den höchsten staatlichen Posten von Russland werden. Er war der Achtbarste der Troika, der sich in der bürokratischen Umgebung am besten positioniert hatte. Diesen Standpunkt nahm auch Limonow ein, auch wenn er in ideologischer Hinsicht dem Ex-Ministerpräsidenten recht fremd war. Kasparow jedoch hatte ganz andere Ansichten: Er schlug anfangs das ehemalige Oberhaupt der russischen Zentralbank, Viktor Geraschtschenko, vor, mit dem die Linken einverstanden waren, und dann sich selbst, womit niemand einverstanden war, außer der Schachspieler selbst sowie sein engster Mitstreiter und Berater – seine Mutter Klara Schagenowna Kasparowa.
    Schließlich zerfiel »Anderes Russland« ganz banal bereits im Herbst 2007, weil es dem Druck des inneren Widerspruchs nicht standgehalten hatte. Zuerst löste sich Kassjanow ab, der beleidigt war, dass seine Kandidatur auf den Präsidentenposten keinen Konsens gefunden hatte. Dann verließen viele unabhängige Weggefährten wie ich die Koalition, die eingesehen hatten, dass hier nichts zu erwarten war.
    Abgelöst wurde »Anderes Russland« außerhalb des Systems durch die sogenannte Nationale Assemblee, die sich als »Gegenparlament« positionierte. Initiatoren des Projekts waren ebenfalls Kasparow und Limonow. Bemerkenswert ist dieses Projekt nur dadurch, dass in diesem Zusammenhang zum ersten Mal der russische Schriftsteller Dmitri Bykow als Mensch mit politischen Ambitionen von sich reden machte. Er ist der wichtigste und einer der leistungsfähigsten Vielschreiber des gegenwärtigen Russland, Autor der klassischen, tonnenschweren Biografien von Boris Pasternak und Bulat Okudschawa.
    Wie der Literaturkritiker Viktor Toporow (der während einer Operation 2013 starb) später sagte, bestand das Hauptergebnis der nationalen Proteste in einem so starken Wachstum von Dmitri Bykows Popularität, dass er schließlich für einen öffentlichen Auftritt etwa 10 000 Dollar verlangen konnte. Überflüssig zu sagen, dass die Nationale Assemblee erledigt war, bevor es überhaupt losging. Heute erinnert sich praktisch niemand an sie, nicht einmal diejenigen, die zu ihren formellen Mitgliedern gehörten (ich habe ein entsprechendes Experiment gemacht, es dient mir als Bestätigung.)
    Allerdings schöpfte die russische Opposition außerhalb des Systems 2010 wieder Hoffnung. Wie ein russischer Klassiker es formulierte: Es drang ein Lichtstrahl ins Reich der Finsternis. Diese Hoffnung trug einen konkreten Namen – Alexei Nawalny. Über ihn ist noch genauer zu sprechen, denn heute ist er unstreitig der wichtigste Oppositionelle von Russland. Und noch hat er diesen Status ungeachtet vieler Nebenumstände nicht eingebüßt.
    Er ist der ehemalige stellvertretende Leiter der Moskauer Organisation der Partei Jabloko und Initiator der ersten nationaldemokratischen Bewegung in der postsowjetischen Zeit, die eine Ideologie des postimperialen Nationalismus europäischen Musters predigt – Narod (Nationale Befreiungsbewegung von Russland). Das heißt, wir haben hier einen jungen, 1976 geborenen Politiker, der rechtzeitig begriffen hatte, dass Nationalismus nicht unbedingt etwas Muffiges sein muss, was nach saurer Kohlsuppe und abgetragenen Bastschuhen riecht, sondern dass Nationalismus und Demokratie durchaus vereinbar sind. Mehr noch: dass diese Verbindung bekanntlich eine Stütze der heutigen, zivilisierten, europäischen Politik ist. Und wenn Russland seine schwärenden europäischen Komplexe auskurieren und endlich ein europäisches Land werden will, dann ist die Nationaldemokratie eines der geeignetsten und klügsten Rezepte.
    Nawalnys politische Karriere hat sich, wenn auch außerhalb der offiziellen Kreise, zielstrebig entwickelt. Mit großem Abstand zu seinen Konkurrenten – zu denen die zum damaligen Zeitpunkt bekanntesten Politiker gehörten, darunter Boris Nemzow und der

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