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Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Titel: Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Belkowski
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chaljawa habe ich bereits im Kapitel 1 erläutert. Jeder Russe versteht es ohne weitere Erklärungen – wahrscheinlich weil es ihm bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist. Zweifellos hat es seinen Ursprung im russischen Volksmärchen, wo für wirtschaftliche Fragen ein Wundertischtuch verantwortlich war, das seine Besitzer kostenlos mit Essen versorgte. Dort gab es auch einen Ofen, von dem die Märchenfigur Jemelja nicht einmal herunterzurutschen brauchte, wenn er folgenreiche Entscheidungen treffen musste. Mit einem schnöden juristischen Wörterbuch könnte man chaljawa als »unberechtigte Bereicherung« bezeichnen. In der Oeconomia putina ist man gewohnt, ein Ergebnis ohne reale geistige oder physische Anstrengungen zu erreichen. Die Schritte, die eine solche Investition erforderlich machen, werden einfach nicht unternommen.
    Zweitens handelt es sich um eine Korruptionswirtschaft. Die wichtigsten wirtschaftlichen (und sie befördernden politischen) Entscheidungen werden ausschließlich dann getroffen, wenn es viel zu stehlen gibt. Gibt es nichts zu stehlen, wird keine Entscheidung getroffen, oder sie wird auf die lange Bank geschoben. Hier begegnet uns wieder der Begriff ROS – RASPIL (Um- und Neuverteilung), OTKAT (Cashback) und SANOS (Bakschisch).
    Die Oeconomia putina erschafft nichts, sondern verteilt. Die unerschöpfliche Quelle der zu verteilenden Güter ist der russische Staat. Der Gegenstand der Bemühungen der Oeconomia putina ist die Verwertung des Erbes der UdSSR, denn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist auf russischem Territorium in Wirtschaft, Infrastruktur, Wissenschaft oder Technik nichts Wesentliches geschaffen worden.
    Gelenkt wird die Oeconomia putina durchaus nicht vom Staat, wie viele Westeuropäer fälschlicherweise meinen, die zu oft eigene und russische Zeitungen gelesen haben. Der Staat ist in diesem Zusammenhang Ressourcenquelle und ein Mechanismus der Beschaffung von Einkünften aus Korruption, aber keineswegs ein vollwertiges Subjekt, das dazu berufen und in der Lage ist, Entscheidungen im eigenen (das heißt, im nationalen) Interesse zu treffen. In der Oeconomia putina geben zwei Kategorien von Menschen den Ton an:
• die Geldzerstückeler, die für die Verteilung der Mittel, ihre Instrumentalisierung und Proportionierung zuständig sind, und
• die Wachmänner, die das Zerstückelte hüten (oder die vom Zerstückelten verbleibende Illusion eines materiellen Nutzens).
    Beide Tätigkeiten sind recht simpel. Sie basieren auf der Annahme, dass der Mensch jeglichen Wohlstand durch chaljawa bekommt und dass für die Erlangung von Wohlstand weder eine ernst zu nehmende Bildung noch eine kontinuierliche Tätigkeit vonnöten sind. Man muss nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein, zum Beispiel durch Vermittlung eines Cousins dritten Grades den Stellvertreterposten des Direktors von Gazprom einnehmen und für den Kauf von Pflanzenfetten verantwortlich sein.
    Das eigentliche Tandem, das Russland heute regiert, sind nicht Putin und Medwedew. Alles wird im Hintergrund vom universellen und allgegenwärtigen Bündnis der Geldzerstückeler und Wachmänner bestimmt. Der Zerstückeler stückelt, der Wachmann wacht. Was er bewacht, könnte er selbst nicht erklären, selbst wenn er der artikulierten Rede mächtig wäre, was im Falle von Wachmännern eine Seltenheit ist. Aber darauf kommt es auch nicht an. Wichtig ist nur sein exklusiver Status im Machtsystem.
    An jedem Eingang zu einem teuren Moskauer Restaurant steht ein Wachmann. Sein Gesicht drückt ungewöhnlichen Stolz aus. In diesem Gesicht kann man Antworten auf alle möglichen Fragen finden, ausgenommen einer: Was machst du hier, altes Haus? Was willst du hier? Vor den besten Restaurants der westlichen Welt findet man keinen Wachmann vor dem Eingang. Das heißt, wenn es ein Problem geben sollte, ruft man die Polizei, weil man weiß, dass sie kommen und das Problem auch ohne zusätzliche materielle Stimulierung lösen wird.
    Der Wachmann von Russland löst das Sicherheitsproblem nicht, genauso wenig wie der vor einem Restaurant. Wenn es beispielsweise zu einer Prügelei kommt, erinnert er sich sofort daran, dass die Gesetzgebung der Russischen Föderation ihm eine Einmischung nicht gestattet, damit er die Menschenrechte nicht verletzt. Er steht am Eingang, um mit seinem argwöhnischen Überlegenheitsblick Kunden abzuschrecken. Er zeigt demonstrativ, dass das von ihm bewachte Restaurant zur Nahrungsaufnahme nicht geeignet ist und

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