Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
werden, der Zweite hielt ihm entgegen, das Geld dafür sei im Budget nicht vorgesehen, und eine nicht zielgerichtete Verwendung von Staatsgeldern sei eine Straftat.
Das Ergebnis des Disputs: Auf einem Bankett in Grosny wurde Anatoli Popow vergiftet. Er konnte gerade noch gerettet werden, nachdem man ihn auf schnellstem Wege in ein Krankenhaus seiner Heimatstadt Wolgograd gebracht hatte. Sein Nachfolger auf dem Posten des Ministerpräsidenten der Republik Sergei Abramow zeigte sich hinsichtlich seiner Polemik bei Verhandlungen mit dem Präsidenten zu wichtigen wirtschaftlichen Fragen etwas zurückhaltender.
Zur selben Zeit wuchs auch die Bedeutung der Familie Jamadajew, in der neben Ruslan-Chalid und Sulim-Sulejman bereits jüngere Brüder in Erscheinung traten – Issa und Badrutdin. Die Jamadajews integrierten ihre Brigaden in die föderale Armee: Sulim wurde Kommandeur des offiziellen Bataillons der Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab Wostok. Allem Anschein nach sollte er nach dem Plan seiner Brüder die Rolle des wichtigsten militärischen Führers der Tschetschenischen Republik übernehmen. Für die Liquidierung des in Tschetschenien kämpfenden, besonders gefährlichen arabischen Söldners Abu l-Walid durch die Truppe Wostok wurde er 2005 als »Held Russlands« geehrt.
Ruslan hingegen steuerte politische Macht an: 2003 wurde er Abgeordneter der Staatsduma von Tschetschenien und nahm damit die erste Stufe der Karriereleiter. Der Weg zur Herrschaft über Tschetschenien – zunächst parallel mit Kadyrow Senior, dann unabhängig von ihm – schien einfach und klar.
Die Jamadajews wussten noch nicht, dass aus dem fauligen Schatten der Geschichte bald Ramsan Kadyrow treten würde, der vielen seiner Opponenten ein baldiges Wiedersehen mit den Huris an paradiesischen Orten bescheren sollte. Doch noch war Ramsan ein bescheidener Bewacher seines Vaters, der eilig eine eigene Garde zusammengestellt hatte: Verständlicherweise konnte er weder den föderalen Streitkräften noch den ehemaligen tschetschenischen Kriegsfürsten trauen, die von Zeit zu Zeit mit dem Mufti-Präsidenten in einem Boot saßen.
Noch ergaben sich die Separatisten nicht. Am 23. Oktober 2002 nahmen 44 Terroristen unter dem Anführer Mowsar Barajew, einem getreuen Adepten der tschetschenischen Unabhängigkeit, während einer Vorstellung des beliebten Musicals Nord-Ost in Moskau mehr als 800 Geiseln. Der Anschlag erschütterte ganz Russland. Wladimir Putins Macht hing einige Tage buchstäblich am seidenen Faden. Wie ein aus meiner Sicht recht zuverlässiges Apokryph sagt, betete der Präsident in jenen Tagen in der Hauskirche des Kremls. Am Abend des 25. Oktober stimmte der Leiter der russischen Präsidentenadministration Alexander Woloschin dem Plan zu, das Theaterzentrum zu stürmen.
Die Terroristen wurden mit einem Nervengift betäubt und dann erschossen. Aber auch viele Geiseln erlitten Gasvergiftungen. Die schwache Organisation von Krankentransporten führte dazu, dass 129 Opfer des Anschlags auf dem Weg in die Krankenhäuser oder in den Lazaretten starben. Die Ereignisse schockierten die russische Öffentlichkeit zutiefst. Dennoch hielt Putin stand. Und die »Befriedung« Tschetscheniens ging weiter.
Einen weiteren schweren Schlag musste WWP am 9. Mai 2004 hinnehmen. An diesem Tag fand im Stadion Dynamo in Grosny ein Konzert statt, das dem 59. Jahrestag des Sieges der UdSSR im Zweiten Weltkrieg gewidmet war. Die frisch renovierte VIP-Tribüne war von Präsident Kadyrow und seinem Gefolge besetzt. Noch bevor das Konzert begann, kam es hier zu einer starken Explosion. Sechs Menschen kamen ums Leben, darunter auch Achmat-Hāddsch Kadyrow und der Sprecher des tschetschenischen Parlaments Hussein Issajew. Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Kommissar Maigret hätten endlos nach den Gründen für den Tod von Kadyrow Senior forschen können, ohne eine Antwort zu finden.
Die progressive Öffentlichkeit gibt immer gern den föderalen Streitkräften die Schuld an allem – angeblich wollten sie nicht die Kontrolle über Tschetschenien verlieren, was immer unvermeidbarer wurde, je mehr der Kadyrow-Clan sich festigte. Man weiß doch, dass seit Stalin und der Erschießung der Gruppe von hochrangigen Verschwörern beim Militär mit Marschall Michail Tuchatschowski an der Spitze im Jahre 1937 russische Offiziere keine Politik mehr machen – sie führen lediglich politische Entscheidungen aus, die sie nicht getroffen haben.
Ramsan Kadyrow,
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