Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
der an die Macht kam und sich dort mauserte, wies in Richtung Familie Jamadajew – sie seien es gewesen, die Achmat-Hāddsch Kadyrow schnellstens ablösen wollten. Quellen aus dem Umfeld der empörten Jamadajews hingegen deuteten auf eine mögliche Beteiligung von Kadyrow Junior selbst hin – angeblich habe sein Vater den zweiten Sohn nicht sonderlich geschätzt, und so sei Ramsan nur ein Weg geblieben, um handlungsfähig zu werden …
Nach offiziellen Angaben war der Mord natürlich von den übrig gebliebenen Separatisten geplant und durchgeführt worden. Bereits kurz vor seinem Tod 2006 hatte Schamil Bassajew auf der Internetseite Kawkas-Zentr erklärt, er übernehme die Verantwortung für dieses Verbrechen. Man weiß allerdings nicht, ob man diesem Geständnis Glauben schenken soll. Immerhin nehmen Terroristen ja immer ganz gern die Verantwortung für fremde Sünden auf sich – als weltweite Werbemaßnahme. Nach dem Verschwinden von Bassajew (der Ausdruck »Tod« kann hier nicht ganz zutreffend und richtig sein – wer weiß schon, ob der bekannte Terrorist tatsächlich getötet wurde?) konnte man dem »tschetschenischen Übeltäter« sowieso alles anhängen und alle realen und irrealen Beteiligten an diesem Drama zufriedenstellen. Zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Am selben Tag, dem 9. Mai, wurde Ramsan Kadyrow von Putin im Kreml empfangen. Er erschien im wichtigsten Empfangszimmer des Landes in Trainingsanzug und Turnschuhen – als habe er es nicht geschafft, sich umzuziehen. Damit demonstrierte er ganz deutlich, dass er sich nicht für einen gehorsamen Ziehsohn der föderalen Macht hielt und es auch nie tun würde. Im Kaukasus haben derartige Zeichen, Symbole und Botschaften eine besondere Bedeutung.
Putin drückte Ramsan an seine liebende Brust und gab ihm zu verstehen, dass er in ihm die Fortführung der Sache des Vaters sehe, des Garanten und Wahrers des ursprünglichen »Mafia-Kodex« aus dem Jahr 2000. Intuitiv hat sich WWP kein bisschen geirrt. Sah er in Ramsan vielleicht auch einen eigenen Sohn? Konnte er sich endlich als Vater eines erwachsenen, starken Mannes fühlen? War dieses besondere Zusammentreffen nicht eine Bewusstwerdung seiner Pflicht als Waise gegenüber einer anderen Waise, die nun allein auf sich gestellt mit der harten Realität konfrontiert war? Ob dies zutrifft oder nicht – am 9. Mai 2004 begann die Epoche von Kadyrow Junior, die bis zum heutigen Tag anhält.
Man kann nicht sagen, dass die Mitstreiter und Weggefährten des entschlafenen Mufti-Präsidenten die Erhöhung von Kadyrow Junior mit Begeisterung aufgenommen hätten. Im Gegenteil. Sowohl die Brüder Jamadajew als auch andere Rebellen, die mit Beginn des Zweiten Tschetschenien-Krieges zur föderalen Seite gewechselt waren – der FSB-Offizier und Kommandant der Abteilung Gorez Mowladi Baissarow, der Leiter des Spezialbataillons Wostok der Hauptverwaltung für Aufklärung Bislan Elimchanow und einige andere –, stimmten darin überein, dass man Ramsan aufhalten müsse, solange es nicht zu spät sei.
Aber die föderalen Machtstrukturen verrieten im entscheidenden Moment sowohl Mowladi Baissarow, die Jamadajews als auch Elimchanow. Damit zeigte sich wieder einmal, wie trügerisch der Mythos vom »tschekistischen Russland« ist, das sein Präsident angeblich baut (oder nahezu fertiggestellt hat).
Kadyrow Junior konnte seine Macht recht schnell konsolidieren – sowohl in Fragen der Gewaltstruktur als auch in solchen der Wirtschaft. Ministerpräsident Sergei Abramow, der tschetschenischen Gesellschaft fremd und formal der direkte Vorgesetzte von Ramsan, störte ihn bereits nach kurzer Zeit. Aber Abramow verstand die Anspielungen nicht, die ihm andeuteten, dass er seinen Posten räumen solle. Im November 2005 hatte er einen Autounfall und wurde in kritischem Zustand in ein Moskauer Krankenhaus eingeliefert, von wo aus er Anfang 2006 das heiß ersehnte Entlassungsgesuch abschickte.
Bereits 2006 zeigte sich Kadyrow Junior als aktiv handelnde Person im großen russischen Maßstab. Im September entzündete sich im Norden Russlands unweit der finnischen Grenze in der kleinen Stadt Kondopoga ein Aufstand der Einwohner gegen die tschetschenische Diaspora, die einen unangemessenen Einfluss auf die lokale Wirtschaft gewonnen hatte. Die dort lebenden Tschetschenen waren mit einer realen physischen Bedrohung konfrontiert. Die Situation wurde von Ramsan reguliert, ohne dass dieser die im Süden seines Landes gelegene Stadt
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