Wo bist du
diesem Tempo könne sie nicht zwei Sachen auf einmal tun. Im Flugzeug hätten sie genug Zeit, darüber zu reden.
Sie eilten durch die Flughafenhalle zu ihrem Gate. Mary, die immer schneller lief, zog Lisa hinter sich her. Als sie an einer Treppe vorbeikamen, die zu einer Bar führte, wiederholte Lisa ihre Frage: »Aber wohin gehen wir?«
»Auf die andere Seite der Scheibe!«, antwortete Mary. »Vertrau mir!« Durch das Fenster des Flugzeugs betrachtete Lisa die Wolken unter den Tragflächen. Der Anflug auf den internationalen Flughafen von Miami hatte begonnen. Den ganzen Flug über hatte Mary vorgegeben zu schlafen, und Lisa verstand noch immer nicht, was los war und warum sie sich nach der Ankunft beeilen mussten. Sobald sie ihre beiden Koffer vom Transportband genommen hatten, sprangen sie in ein Taxi. »Ich weiß gar nicht so genau, wo das NHC ist«, sagte der Fahrer.
Mary erklärte ihm den Weg.
»NHC, was ist das? Warst du schon einmal hier?«, fragte Lisa. »Vielleicht!«
Äußerst beeindruckt von der Plakette mit ihrem Namen, die man ihr an der Pforte aushändigte, wartete Lisa mit Mary in der Eingangshalle, bis Professor Hebert kam.
Guten Tag, du bist sicher Lisa, ich freue mich, dich im National Hurricane Center begrüßen zu dürfen. Wir sind eine von drei
Zweigstellen einer staatlichen Organisation, die Center of Tropical Predictions heißt. Unsere Arbeit besteht darin, Leben zu retten und den Besitz der Bevölkerung zu schützen, indem wir alle außergewöhnlichen Wetterphänomene untersuchen, die sich in den Tropen entwickeln. Wir analysieren sie und geben Warnungen heraus, wenn nötig schlagen wir auch Alarm. Die Fakten, die wir sammeln, sind für unser Land bestimmt, aber auch für die internationale Gemeinschaft. Später werden wir das ganze Zentrum besichtigen, aber zunächst bestätigen die Daten, die wir heute Mittag von unseren Aufklärungsflugzeugen bekommen haben, dass Ihre Reise nicht umsonst war. In wenigen Augenblicken werden Sie beide das sehen, was man offiziell als die vierzehnte tropische Depression dieses Jahres über dem Atlantik bezeichnet. Wir nehmen an, dass sie sich noch vor Ende des Tages in einen Sturm verwandeln wird, und morgen vielleicht sogar in einen Orkan.«
Er führte sie durch einen langen Gang und stieß die Tür zu einem Raum auf, der dem Tower eines großen Flughafens ähnelte. In der Mitte stand eine Reihe von Druckern, die unablässig lange Papierstreifen ausspuckten. Ein Mann schnitt sie auseinander und verteilte sie an die anderen, die offenbar sehr beschäftigt waren. Hebert führte sie zu einem Radarschirm. Operator Sam, der dort arbeitete, ließ ihn nicht aus den Augen und übertrug die Daten in der oberen linken Ecke auf ein Blatt. Ein breiter Zeiger drehte sich auf der Skala. Als er den Südosten erreicht hatte, deutete Sam auf die orangefarbene Masse, die sich deutlich gegen den grünen Hintergrund abzeichnete. Lisa nahm auf dem Stuhl Platz, den man für sie bereitgestellt hatte. Der Operator erklärte ihr, wie die Zahlen vor ihr zu deuten waren. Die ersten gaben das Datum an, an dem die Depression, also das Tiefdruckgebiet, entstanden war, die Ziffer neben dem Buchstaben M zeigte die Anzahl der seither verstrichenen Tage an, die in dem Kästchen SNBR die Registriemummer des Naturphänomens.
»Und was bedeutet das Wort XING?«, wollte Lisa wissen.
»Das ist die Abkürzung für crossing, und die Null daneben bedeutet, dass die Depression die amerikanische Grenze noch nicht überschritten hat, bis jetzt noch nicht. Wenn sich die Zahl ändert, heißt das, dass sie auf unser Gebiet vor-gedrungen ist.«
»Und die Zahl nach den drei S?«
»Das ist die offizielle Klassifizierung. Die Stärke eines Erdbebens wird anhand der Richterskala gemessen, die Orkane werden seit achtzehnhundertneunundneunzig nach der Saffir-Simpson-Skala gemessen. Wenn du in den nächsten Stunden vor den Buchstaben SSS die Ziffer eins siehst, hat sich die tropische Depression in einen kleinen Orkan verwandelt.«
»Und wenn eine Fünf erscheint?«
»Fünf ist die höchste Stufe, aber bei einer Drei spricht man bereits von einer Katastrophe«, antwortete Sam.
Während der Führung durch das Zentrum ließ Mary ihre Tochter nicht aus den Augen. Auf dem langen Gang, der in den Arbeitsraum zurückführte, ergriff Lisa ihre Hand und murmelte: »Das ist unglaublich.«
Sie aßen in der Cafeteria zu Abend, doch Lisa wollte schnell wieder zurück zu den Bildschirmen, um zu sehen, wie sich
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