Wo bist du
»das Baby« entwickelte. Das ganze Team saß bei Hebert, der eben, als sie den Raum betraten, das Wort ergriff.
»Meine Herren, es ist null Uhr zwölf Weltzeit, das heißt zehn Uhr zehn abends Ortszeit in Miami. Nach den Informationen, die uns die Flugzeuge der Air Force vor wenigen Minuten übermittelt haben, stufen wir die Depression Nummer fünf-zehn offiziell als tropischen Wirbelsturm ein, seine aktuelle Position ist elf Grad, acht Minuten nördlicher Breite und zweiundfünfzig Grad, sieben Minuten westlicher Länge, der Luftdruck beträgt tausendundvier Millibar, der Wind hat bereits eine Geschwindigkeit von sechzig Kilometern pro Stunde erreicht. Bitte geben Sie sofort einen allgemeinen Warnhinweis durch.«
Hebert wandte sich an Lisa und deutete auf den Punkt, der jetzt rot war und sich langsam auf dem großen Bildschirm in der Wand abzeichnete.
»Lisa, du hast soeben eine ganz besondere Taufe erlebt. Ich stelle dir Marilyn vor. Du kannst allen Operationen beiwohnen, die nun folgen, wir werden ihn bis zu seinem, hoffentlich baldigen, Tod verfolgen. Wir haben ein Zimmer vorbereitet, in dem deine Mutter und du euch ausruhen könnt, wenn ihr müde seid.«
Wenig später zogen sie sich in den Raum zurück, der ihnen in den nächsten Tagen als Schlafzimmer dienen sollte. Lisa sagte kein Wort. Sie warf Mary, die ihr zulächelte, nur fragende Blicke zu.
Als Lisa am nächsten Tag, dem dreizehnten September 1995, nach dem Frühstück den Arbeitsraum betrat, setzte sie sich neben Sam. Sie hatte den Eindruck, dass die Frauen und Männer, die hier arbeiteten, sie wie ein Mitglied ihres Teams behandelten, man bat sie sogar mehrmals, die Berichte vom Drucker zu holen und zu verteilen, und etwas später musste sie sie sogar laut vorlesen, während mehrere Meteorologen die Zahlen aufschrieben. Nach dem Mittagessen bemerkte sie die Unruhe auf ihren Gesichtern.
»Was ist passiert?«, fragte sie Sam.
»Sieh dir die Zahlen auf dem Bildschirm an, die Windstärke beträgt jetzt hundert Kilometer pro Stunde, aber noch schlimmer ist der Luftdruck, das ist kein gutes Zeichen.« »Das verstehe ich nicht.« »Wenn der Luftdruck sinkt, wütet der Sturm immer heftiger, und ich fürchte, bald haben wir es mit einem richtigen Orkan zu tun.«
Um neunzehn Uhr fünfundvierzig rief Sam Hebert an und bat ihn, sofort zu kommen. Er betrat den Raum und eilte sofort zum Bildschirm. Lisa rollte mit ihrem Stuhl zur Seite, um ihm Platz zu machen.
«Was sagen die Flugzeuge?«, fragte er.
Eine Stimme antwortete vom anderen Ende des Raums: »Sie haben die Bildung des Auges festgestellt.«
«Die aktuelle Position ist dreizehn Grad nördlicher Breite und siebenundfünfzig Grad, sieben Minuten westlicher Länge, er bewegt sich in nordöstlicher Richtung auf den Canal des Saintes zu. Er wird die französischen Antillen treffen. Der Luftdruck ist weiter gesunken, neun acht acht Millibar, die Windstärke hat hundertzwanzig Kilometer erreicht«, fügte der Meteorologe hinzu, der am Computer saß.
Als Hebert zu den Druckern ging, sah Lisa, dass auf Sams Bildschirm hinter den drei Buchstaben S die Ziffer Eins blinkte. Es war achtzehn Uhr, und Marilyn war zu einem Orkan der ersten Stufe geworden. Mary saß auf ihrem Stuhl und machte sich Notizen, aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihre Tochter. Von Zeit zu Zeit legte sie den Bleistift beiseite und musterte beunruhigt Lisas Gesicht, das immer starrer wurde. Das Schweigen in dem großen Raum, das so drückend wie ein Gewitterhimmel geworden war, wurde nur von dem Geräusch der Apparate unterbrochen.
Als Lisa nachts einen Albtraum hatte, legte sich Mary zu ihr und nahm sie in die Arme, trocknete ihre Stirn, wiegte sie und streichelte ihr Haar, bis sie sich entspannte. Sie betete, nicht das Gegenteil von dem zu erreichen, was sie beabsichtigt hatte, indem sie Lisa hierher gebracht hatte. Sie fand keinen Schlaf und wachte bis zum frühen Morgen bei ihr.
Sobald sie aufgestanden war, ging Lisa in den Arbeitsraum, sie wollte nicht mit Mary in der Cafeteria frühstücken. Als sie den Raum betrat, lief sie zu Sam. Es war sieben Uhr fünfundvierzig in Miami und elf Uhr fünfundvierzig Weltzeit.
»Wie sieht er heute Morgen aus?«, fragte sie mit fester Stimme. »Noch immer wütend. Er nähert sich Martinique, bewegt sich in nordöstlicher Richtung, und der Luftdruck sinkt weiter.« »Ich habe gesehen, dass er noch immer Stufe eins hat«, stellte sie knapp fest. »Meiner Ansicht nach nicht mehr lange.«
Hebert
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