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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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muss.«
    »Angst entsteht aus Unwissenheit. Um gegen meine Angst anzukämpfen, wollte ich Journalistin werden. Lisa hat das Bedürfnis zu verstehen und weiß nicht, wo sie suchen soll, also werde ich ihr dabei helfen. Ich werde ihr in diesen Augenblicken, so schrecklich sie auch sein mögen, zur Seite stehen.«
    »Ich befürchte, ich kann Ihren Standpunkt nicht gutheißen.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Professor Hebert. Ein kleines Mädchen kann nicht erwachsen werden. Man hört ihre Stimme immer seltener, sodass man, wenn sie ausnahmsweise spricht, auch zuhört. Im Laufe der Jahre beobachtete ich, wie sie sich immer mehr in ihr Schweigen und ihre Angst zurückzieht. Bei jedem Gewitter zittert sie, sie fürchtet jeden Regen. Doch wenn Sie sie kennen lernen, werden Sie feststellen, wie mutig dieses Mädchen ist und wie stolz sie darauf ist, dieses allgegenwärtige Grauen vor uns zu verbergen. Keine Woche vergeht, ohne dass ich nicht nachts in ihr Zimmer gehen und sie aus einem Albtraum aufwecken müsste. Sie ist jedes Mal schweißüber-strömt und so tief in ihren unruhigen Schlaf versunken, dass es mir kaum gelingt, sie wachzurütteln. Um ihre Panik zu beherrschen, beißt sie sich manchmal auf die Zunge, bis sie blutet. Niemand weiß davon, und sie ahnt auch nicht, dass ich das Geheimnis entdeckt habe, das sie quält. Lisa muss erfahren, dass es Sie gibt, dass wir die Monster nicht ignorieren, dass Sie sie überwachen und jagen, dass Methoden entwickelt wurden, die die Wissenschaft in die Lage versetzen, die Bevölkerung vor dem mörderischen Wahnsinn der Natur zu schützen. Ich will, dass sie sich den Himmel ansehen und eines Tages die Wolken schön finden kann, ich will, dass sie nachts süße Träume hat.« Lächelnd bat der Professor Mary, ihm zu folgen. Als er die Tür des Ausstellungsraums öffnete, wandte er sich zu ihr um: »Ich würde nicht behaupten, dass wir nennenswerte Möglichkeiten haben, aber einige haben wir doch. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest des Zentrums, dann überlegen wir gemeinsam, was wir tun können.«
    Mary rief Philip an. Sie hatte das NHC viel zu spät verlassen, um noch am selben Abend zurückzukehren. In ihrem Hotelzimmer in Miami Beach hörte sie das nächtliche Treiben unter ihrem Fenster.
    »Bist du nicht zu müde?«, fragte er am Telefon.
    »Nein, der Tag war sehr aufschlussreich. Haben die Kinder gegessen?« »Schon lange, wir unterhielten uns gerade alle drei in Lisas Zimmer, ich habe den Anruf im Schlafzimmer angenommen. Und du, hast du schon gegessen?«
    »Nein, ich gehe jetzt runter.«
    »Es gefällt mir gar nicht, dass du ohne mich in dieser Stadt bist. Sie ist voll von Männern mit Körpern so muskulös wie diese griechischen Statuen.«
    »Deine so genannten Statuen sind hier aber sehr beweglich. Außerdem war ich noch nicht in einer Bar. Du fehlst mir.«
    »Du mir auch, ganz fürchterlich. Deine Stimme klingt müde.«
    »Ach weißt du, das war ein eigenartiger Tag. Bis morgen. Ich liebe dich.«
    Aus den Bars und Restaurants am Ocean Drive, jener Prachtstraße am Meer, drang höllisch laute Musik, zu der sich die gestählten Körper bis spät in der Nacht verrenkten. Jeden Kilometer gab es ein Schild: Sammelstelle zum Transport in die Schutzräume bei HurrikanWarnung. Mary nahm am nächsten Tag die erste Maschine zurück nach New York.
    Am Abend des elften September 1995 hatte das Telefon geklingelt, und Professor Hebert hatte Mary geraten, sich in den frühen Morgenstunden bereitzuhalten. Bevor Lisa zur Schule aufbrach, würde er noch einmal anrufen und die Entwicklung dessen, was bislang nur eine Vorahnung war, bestätigen. Um sieben Uhr morgens hörte Mary seine Stimme am Telefon: »Nehmen Sie das nächste Flugzeug. Heute Abend rechnen wir mit der Taufe. An der Pforte liegen Ihre Zugangsplaketten bereit, ich werde Sie abholen.« Sie ging in das Zimmer von Lisa, die sich gerade anzog, öffnete ihren
    Kleiderschrank und begann, einen kleinen Koffer zu packen. »Was machst du da?«, wunderte sich Lisa.
    »Du wirst eine Woche lang nicht am Unterricht teilnehmen, aber du bereitest das vielleicht beste Referat in der Geschichte deiner Schule vor.«
    »Wovon redest du?«
    »Für Erklärungen ist jetzt keine Zeit. Mach dir schnell ein Brot, in einer Stunde geht unser Flugzeug, ich erkläre dir unterwegs, wohin die Reise geht.«
    Auf dem Highway fuhr Mary mit Höchstgeschwindigkeit, und als Lisa nach dem Grund und dem Ziel dieser unerwarteten Reise fragte, erwiderte Mary, bei

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