Wo brennt s denn - Vom Grossbrand in der U-Bahn bis zur Schlange im Klo Die unglaublichsten Einsaetze einer Feuerwehrfrau
Ich brauche kein Abenteuer mehr im Dienst. Und schon gar keinen Schienenunfall.
Wenn man vor die U-Bahn, S-Bahn oder einen Zug fällt, egal ob freiwillig oder nicht, ist die Wahrscheinlichkeit zu überleben sehr gering. Meistens sind die Verunfallten auf der Stelle tot, dazu oft in einem entsetzlichen Zustand: Selten am Stück, sind sie zumeist meterweit verteilt, beim ICE auch kilometerweit. Ich kenne keinen Kollegen, der so einen Einsatz gerne macht. Wenn wir am Unfallort eintreffen, sind die Fahrgäste in der Regel ausgestiegen, der Bahnsteig von der U-Bahn-Wache abgesperrt, die Polizei bereits anwesend. Für uns geht es erst einmal darum: Wo ist der Verunfallte? Lebt er noch? Wir erkundigen uns, ob der Strom abgeschaltet wurde, Eigenschutz ist die erste Maßnahme. Dann kriechen wir unter den Zug. Da ist nicht viel Platz. Es ist eng. Überall liegt Müll. Es ist dunkel. In der Schutzkleidung fällt das Kriechen schwer, es ist heiß unter dem Helm, in den Sicherheitsschuhen, Handschuhen und der dicken Jacke. Das Gesichtsfeld unter dem Helm ist eingeschränkt, das Visier beschlägt. Kollegen geben die Richtung an. Noch ein Stück vor … Oft merken wir erst danach, dass da was war, dass wir bereits an ein paar menschlichen Teilen vorbeigekommen sind.
Schlimmer als ein Splattermovie
Ich hatte das Glück … oder Pech, dass einige meiner Schienenverunfallten noch lebten. Ich erinnere mich gut an den ersten, ich glaube, es war im Jahr 2004, an einem strahlenden Samstagmorgen im Frühling. Ich erreichte ihn gegen 5:30 Uhr. Der junge Mann war mit seiner Freundin auf einer Party gewesen und dann auf einer zweiten. Dort hatte sie ihren Exfreund getroffen. Und festgestellt, dass sie den noch immer liebte. Nach einigen Cocktails hatte sie sich von ihrem aktuellen Freund getrennt. Wollte sie ihn trösten, indem sie ihm gestand, ihn ohnehin nie geliebt zu haben? Der junge Mann gab sich die Kante. Die Überwachungskameras zeigten ihn später torkelnd am Bahnsteig. War es sein Zustand? Oder der Liebeskummer? War es ein Unfall? Oder Absicht? Er fiel auf das Gleis, direkt vor die einfahrende Bahn. Und da lag er nun. Quer zur Schiene, sein Kopf im Schotterbett. Lebte. Noch. Mit dem Rücken auf der Schiene, die ist ein gutes Stück höher als das Schotterbett. Der Rücken sah gerade aus, und ein Rad des Zuges stand in seiner Taille.
Das Rückgrat!, schoss es mir durch den Kopf.
Der Schwerstverletzte atmete, wenn auch stöhnend. Sein bleiches Gesicht leuchtete in der Dunkelheit. Im Licht der Taschenlampe versuchte ich mir einen Eindruck zu verschaffen. Der Lichtkegel fing einen abgetrennten Fuß an einem Nike Turnschuh ein. Weiß leuchtete ein Stück Knochen heraus. Rote Socke. Kaum Blut am Körper des Schwerverletzten, Schürfwunden überall. Wie vielen anderen Schienenopfern waren auch diesem jungen Mann beim Zusammenstoß die Kleider vom Leib gerissen worden.
Zirka fünf Liter Blut pulsieren in einem Menschen. Es ist nicht so, dass die in Fontänen aus einem Schwerverletzten spritzen, wie man es im Fernsehen gelegentlich sieht. Oft bluten die Opfer gar nicht. Im Schock macht der Körper dicht. Auch wenn es ganz schlimm ist, sieht es auf den ersten Blick nicht so aus. Hier schon … der Fuß und das gebrochene Rückgrat. Ich konnte das Entsetzliche sogar riechen. Rohes Fleisch – der Verletzte war einige Meter mitgerissen worden – entfaltet einen ganz eigenen Geruch. Er vermischte sich mit Schotterstaub, modrigen Holzschwellen und der U-Bahn-Bremse. Es klingt vielleicht befremdlich, aber manchmal, wenn ich beim Metzger einkaufe, fällt mir ein Unfallopfer ein, das wir leider nicht mehr retten konnten.
Den Tod kann nur ein Arzt oder eine Ärztin feststellen, doch es gibt Verletzungen, die sind mit dem Leben nicht vereinbar. » Gesichert ex« heißt das bei uns. Das sagt den Kollegen, dass es nicht eilt. Es geht nicht mehr um jede Sekunde, wie wir bei der Anfahrt vielleicht dachten.
Die Lippen des jungen Mannes schimmerten bläulich. Auch seine Augen waren blau, doch sein Blick war schon gar nicht mehr richtig da. Ob hier ein Schockraum noch helfen konnte? So wird die Unfallversorgung im Krankenhaus genannt, bei der Pflegepersonal und Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen Hand in Hand arbeiten und alle technischen Möglichkeiten inklusive Blutkonserven und OP bereitstehen.
Ob die Lebensrettung gelingt, kommt maßgeblich auf die Erste Hilfe am Unfallort an. In einer solchen Situation fährt der Körper ein Notprogramm.
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