Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
sowohl darauf geachtet, dass die Miete und alle sonstigen Kosten pünktlich bezahlt werden, als auch dafür gesorgt, dass der Kühlschrank immer gefüllt und die Wohnung immer aufgeräumt gewesen ist. Wenn ich so darüber nachdenke, wundert es mich gar nicht mehr, dass ich während unserer Beziehung so oft frustriert gewesen bin.
„Haben Sie denn nicht wenigstens irgendeinen winzig kleinen Tipp, den Sie mir mit auf den Weg geben können? Irgendetwas, über das ich nachdenken kann oder was mir den Alltag erleichtert?“
Frau Glaser mustert mich tadelnd. „Also wenn ich jetzt mal auf die Uhr schaue, haben wir uns eine ganze Weile und umfassend unterhalten. Sie haben jetzt jede Menge Stoff, über den Sie nachdenken können.“
Da hat sie eigentlich recht. Das hätte ich wohl so nicht sagen sollen. Schließlich hat sie ja nun schon fast zwei Stunden mit mir gearbeitet, und ich Dussel bitte sie um etwas, über das ich nachdenken könnte. So schnell kann man jemandem unabsichtlich auf den Schlips treten.
„Tut mir leid“, sage ich schuldbewusst. Und kaum, dass ich diese Worte ausgesprochen habe, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. „Eigentlich passt dieses Fettnäpfchen ja irgendwie gut auf das soeben geführte Gespräch. Schließlich habe ich auch nicht nachgedacht und Sie durch meine Frage gekränkt. Und ob ich von selbst drauf gekommen wäre, wage ich auch zu bezweifeln.“
„Genau“, erwidert sie mit einem strahlenden Lächeln, das mir in dieser Situation höchst unpassend erscheint. Natürlich hat der Lerneffekt bei mir schon eingesetzt, und auch ich bin von dieser Erkenntnis zutiefst überrascht. Trotzdem ist das noch lange kein Grund, mich anzugrinsen, als wäre ich ein Kleinkind, das gerade zum ersten Mal ins Töpfchen gekackt hat! Ob ich ihr das wohl so sagen soll? An diesem Punkt kommt wohl die Entscheidung ins Spiel, ob ich diese Gedanken lieber diskret oder offen behandeln soll ...
„Sie grinsen mich an, als hätte ich gerade zum allerersten Mal in einen Topf gekackt“, sage ich.
Abrupt verschwindet das Lächeln von Frau Glasers Lippen, doch nach zwei Sekunden kehrt es wieder an Ort und Stelle zurück.
„Sehr gut!“, ruft sie begeistert. „Sie haben gesagt, was Sie denken.“
„Ja“, erwidere ich. „Allerdings grinsen Sie trotzdem noch genauso wie zuvor.“
„Ich habe ja auch allen Grund dazu. Immerhin zeigen Sie schon Fortschritte nach unserer ersten Sitzung. So etwas erlebt ein Therapeut auch nicht alle Tage.“
Aha. Daher also das Grinsen! Aus therapeutischer Sicht habe ich offenbar wirklich gerade zum ersten Mal ins Töpfchen gemacht. Ich persönlich bin diesbezüglich zwar nicht ganz so aus dem Häuschen, aber was soll‘s? Wenn es sie glücklich macht!
„Ich würde sagen, dass Sie am besten zweimal die Woche zu mir kommen“, schlägt Frau Glaser vor. „Uhrzeit und Wochentag können Sie gerne frei wählen.“
„Frei wählen?“ Gibt es an dieser Frau vielleicht etwas, von dem alle anderen außer mir wissen? Möglicherweise ist sie ja doch eine irre Hippiebraut mit einem langen Vorstrafenregister, das sie über viele Jahre bei Rettungsaktionen als Mitglied der Organisation Green Peace aufgebaut hat.
„Bin ich etwa die einzige Patientin?“
„Solange weder mein Telefon noch das Internet oder die Türklingel funktionieren, fürchte ich schon. Und da Sie die erste und somit einzige Person sind, die an meine Tür geklopft hat, haben Sie die freie Wahl.“
Na das klappt ja! Vielleicht beginnt für mich jetzt eine Glückssträhne. Der Anfang ist auf jeden Fall gemacht. Zwar sind meine ersten zwei Stunden bei Frau Glaser ziemlich anstrengend gewesen, aber immerhin haben wir sogar schon erste Ergebnisse erzielt. Im Hinblick darauf fühle ich mich also viel besser. Und als sie mich verabschiedet, gibt sie mir schließlich doch noch einen Rat mit auf den Weg. Ich soll an einer mir nahe stehenden Person trainieren, meine Gedanken auszusprechen. Da mir hierfür noch die nötige Feinmotorik fehle, soll ich den Glücklichen oder die Glückliche jedoch lieber vorher einweihen. Offenbar ist die Entscheidung, meine Assoziation mit dem Töpfchen offen auszusprechen, wohl nicht ganz so treffend gewählt gewesen. Vermutlich hätte es auch eine andere, weniger plumpe Umschreibung getan. Aber davon lasse ich mich nicht unterkriegen und mache es halt beim nächsten Mal besser. Trotzdem empfinde ich die neuen Erkenntnisse hochinteressant. So funktioniert das mit der Psychologie also. Ich
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