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Wo die coolen Kerle wohnen

Wo die coolen Kerle wohnen

Titel: Wo die coolen Kerle wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Friedmann
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alten Männer wichtige Funktionen wahrnehmen. Und neueste Studien haben schließlich gezeigt, dass prähistorische ältere Männer und Frauen jenseits der Fortpflanzungsphase gemeinsam dafür verantwortlich waren, dass sich der Homo sapiens überhaupt so weit entwickeln konnte, dass er andere Frühmenschen verdrängte und zum erfolgreichsten Menschenaffen der Welt aufstieg.
    Vor etwa 30 000 Jahren wuchs die Anzahl unserer Vorfahren, die älter als dreißig wurden und damit das damalige Großeltern-Alter erreichten, mit einem Mal drama tisch an. Rachel Caspari, Professorin für Anthro pologie an der Central Michigan University hat das gemeinsam mit Sang-Hee Lee von der University of California herausgefunden, indem sie fossile, also versteinerte Zähne aus verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte analysierte. An den Zähnen dieser frühen menschlichen Wesen konnten die Forscherinnen ablesen, in welchem Alter sie gestorben waren: »Der Anteil der Alten ist beim Homo sapiens der Steinzeit mehr als viermal so hoch wie bei dessen Vorfahren«, sagt Rachel Caspari.
    Fast gleichzeitig gab es einen enormen Entwicklungsschub für die Intelligenz und die Kreativität unserer Ahnen, der sich an den steinzeitlichen Funden ablesen lässt: In Europa entstanden die ersten Meisterwerke der Kunst, Höhlenmalereien, Skulpturen, Musikinstrumente. Neue Verfahren zur Nahrungsgewinnung wurden entwickelt, und die ersten komplexen Werkzeuge und Waffen konstruiert.
    Rachel Caspari sieht zwischen beiden Phänomenen einen direkten Zusammenhang, den sie 2011 im Scientific American darlegte: Die prähistorischen Senioren waren demnach die treibende Kraft, die die explosionsartige kulturelle Entfaltung des modernen Menschen vor 30 000 Jahren erst ermöglichte.
    Durch die Großeltern wurde der Homo sapiens in die Lage versetzt, andere archaische Populationen wie etwa die Neandertaler aus dem Feld zu schlagen und sich zur erfolg- und zahlreichsten menschlichen Spezies auf Erden zu mausern. »Ein höheres Lebensalter zu erreichen hatte grundlegende Auswirkungen auf die Größe einer Population, auf die sozialen Interaktionen und die Genetik dieser frühen Gruppen moderner Menschen«, sagt die Anthropologin.
    Das Drei-Generationen-Modell
    Die Großväter spielten dabei wohl eine ebenso entscheidende Rolle wie die Großmütter. Wer nämlich länger lebt, kann einen größeren Erfahrungs- und Wissensschatz ansammeln, den er dann an seine Kinder und Kindeskinder weiterreicht. Das betrifft Kenntnisse über Gift- und Heilpflanzen oder Wasservorkommen ebenso wie Techniken zur Herstellung von Jagdgerät und Werkzeug.
    Außerdem geht ein älterer Mensch mit seinen Enkelkindern anders um als mit seinen Kindern, und auch den Enkelkindern bedeuten Großmutter und Großvater etwas anderes als ihre Eltern. Durch die Gegenwart alter Menschen werden die verwandtschaftlichen Beziehungen also vielfältiger, was zu einem größeren Reichtum an Ausdrucksformen, Verhaltensweisen und daraus abgeleiteten Umgangsformen und Ritualen führt.
    Man kann zu dem Schluss kommen, dass erst das Alter den Menschen überhaupt zum Menschen gemacht hat. Erst die gemeinsame Fürsorge – Ernährung, Pflege, Erziehung und Bildung im weitesten Sinne – durch Mütter, Väter, Großmütter, Großväter und die ganze Sippe, machten die langsame, vielfältige und die Intelligenz fördernde Entwicklung der Menschenkinder möglich.
    Tierfamilien bestehen aus nur zwei Generationen: Eltern und Kindern. Die Fürsorge und das »Vorausdenken« bleiben auf die nächste Generation, sozusagen auf »das Morgen«, beschränkt, Erinnerung und Erfahrung reichen nur auf die Elterngeneration, auf »das Gestern«, zurück.
    Gibt es aber drei Generationen, die miteinander leben, wird die Perspektive in beide Richtungen geweitet: der Horizont dehnt sich nun mindestens zwischen »Übermorgen« und »Vorgestern«. Dadurch hat der Homo sapiens gelernt, die unterschiedlichen Belange anderer Menschen wesentlich differenzierter und weiter reichend mit zu bedenken und vorauszusehen als jeder andere Menschenaffe.
    »Es hat eine Menge Spekulationen darüber gegeben, was dem modernen Menschen, Homo sapiens, seinen Evolutionsvorteil bot«, erläutert Rachel Caspari. »Diese Ergebnisse liefern eine einfache Erklärung, für die es jetzt konkrete Belege gibt: Moderne Menschen waren einfach älter und weiser.«
    Ein guter Satz auch für uns heute, in einer Gesellschaft, in der immer mehr ältere und alte Menschen

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