Wo die coolen Kerle wohnen
wieder – wie früher – einen kleinen Ringkampf veranstaltet hatten. Er hing da, »wie in einer Schraubzwinge festgeklammert«, und konnte sich beim besten Willen nicht aus den starken Armen seines Sohnes befreien. »Ich fühlte mich plötzlich so alt«, sagte er.
Solch ein Erlebnis muss ein Vater erst einmal wegstecken. Aber meistens machen Schock, Kränkung und Demütigung schnell einer gewissen Bewunderung Platz. Und nicht zu vergessen der Stolz: für diesen starken jungen Kerl irgendwie mit verantwortlich zu sein. Das versicherten mir jedenfalls die Midlife-Väter, mit denen ich gesprochen habe.
Der Sohn ist nun aufgerückt. Eine Erfahrung, die die Beziehungsqualität verändert. Ein Vater kann sich seinem fast erwachsenen Sohn noch einmal auf einer neuen Ebene zuwenden, sich mit ihm verbünden, bevor der Junge seiner eigenen Wege geht. Er kann mit ihm an einem gemeinsamen Projekt arbeiten (einen Schuppen oder ein Kajak bauen), zusammen eine Trekkingtour unternehmen und sich beiläufig für seine Ideen und Gedanken interessieren. Bewährt haben sich da exklusive Vater-Sohn-Zeiten, in denen der Rest der Familie keinen Zutritt hat.
Hat ein Mann keine Söhne oder kommt er mit ihnen nicht klar, kann er sich auch im Fußballverein, Motorradclub, bei der freiwilligen Feuerwehr oder in der Kirchengemeinde für die Jugend engagieren.
Mentoring statt Ego-Trip
Vor allem im Beruf wirkt der Austausch mit jüngeren Kollegen auf Midlife-Männer motivierend, geradezu verjüngend. Und er ist oft befriedigender als eine Beförderung oder gar ein frühzeitiger Ausstieg aus dem Berufsleben.
Nicht umsonst richten kluge Firmenchefs in immer mehr Unternehmen Berater- und Mentoren-Positionen für Mitarbeiter ein, die ihr Fachwissen an weniger Erfahrene weitergeben wollen. Beim sogenannten Mentoring unterstützt der Mentor seinen schutzbefohlenen »Mentee« in dessen beruflicher, aber auch persönlicher Entwicklung.
Der älter werdende Mann kann sich hier, vielleicht zum ersten Mal, ganz einbringen. Seine fachliche ebenso wie seine menschliche Kompetenz einsetzen und trainieren. Für das Unternehmen gewinnt er an Bedeutung, weil er hilft, neue, geeignete Fachkräfte heranzuziehen. Von dem Jüngeren erhält der Ältere frische Impulse sowie Einblick in die Erwartungen, Perspektiven und Lebensgestaltung der nachrückenden Generation. Und der Kontakt mit dem Jüngeren regt sicher auch dazu an, die eigenen Einstellungen zum Beruf und darüber hinaus zu überdenken. Solch ein Austausch weckt die Neugier, hält flexibel und kann bei Midlife-Männern eine ungeahnte, vielleicht schon länger vermisste Begeisterung für ihren Beruf entfachen.
Gerade im Hinblick darauf, dass Arbeitnehmer in Zukunft länger arbeiten werden, sollten Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens in ihren mittleren Jahren Fortbildungen machen und spätestens ab fünfzig beratende Aufgaben übernehmen können. Denn: Jeder Mensch braucht sein tägliches Quantum an Bedeutung für andere. Das gilt besonders für Midlife-Männer, die ihre Bedeutung bislang weniger aus Beziehungen als aus ihrem Status, ihrem Prestige und ihrer Finanzkraft gezogen haben.
Manchen Midlife-Männern fällt es allerdings – trotz altersbedingt höherer Empathiefähigkeit – schwer, ihre Konkurrenzgefühle gegenüber jüngeren Kollegen in den Griff zu kriegen und in ein selbstloseres Verhalten umzuwandeln. Walther ist so ein Beispiel, bei dem es dann aber, zu seiner eigenen Verwunderung, doch geklappt hat.
Walther hat keine Familie und hat in seinem Leben immer selbst die erste Geige gespielt. Im wörtlichen Sinn. Walther ist erster Geiger in einem Sinfonieorchester, und als Konzertmeister mit Solisten-Aufgaben gibt er den Ton an. Nebenher leitet er ein Streichquartett, für das er die gesamte Organisation, von der Finanzierung über das Programm bis zum Marketing verantwortet. Ein begabter und ehrgeiziger Mann also, der sich vor allem selbst als Künstler profilieren und »die Nummer eins« bleiben will, weshalb er sich bis zu seinem 45. Lebensjahr standhaft weigerte, jüngere Kollegen auch nur zu unterrichten: »Ich züchte mir doch nicht die eigene Konkurrenz an den Hals!«
Auch als Assistenten holte er sich nach Möglichkeit immer nur junge Frauen ins Büro, die ihn anhimmelten. »Zwischen Männern gibt es immer diese Rangelei …«
Bis er dann doch einmal einen Musikstudenten engagierte, der ihm ein halbes Jahr lang die Pressearbeit machte. Da Walther ihn seinerzeit nicht
Weitere Kostenlose Bücher