Wo die coolen Kerle wohnen
leben: Wir verdanken nicht nur unser Sein, sondern auch unser hochentwickeltes So-Sein den (steinzeitlichen) Großeltern. Die Anwesenheit der älteren Generation hat die Kooperationsfähigkeit des Menschen ebenso verbessert wie seine Empathie – die Gabe, Mitgefühl zu empfinden. Menschen wurden deshalb auch wesentlich kontaktfreudiger als andere Primaten, und sie verfeinerten ihre sozialen Fähigkeiten, die ihnen wiederum das Überleben innerhalb ihrer Gruppen sicherten. Der Homo sapiens wurde bindungsfähiger und lernte, Verantwortung über größere Zeiträume und für größere Zusammenhänge zu übernehmen – nicht mehr nur für sich und die eigene Brut.
Und wahrscheinlich verdanken wir unseren langlebigen Vorfahren auch die Entwicklung einer Liebesfähigkeit, die es uns möglich macht, jenseits der fruchtbaren Jahre als Mann und Frau miteinander verbunden zu bleiben.
Aus der evolutionären Bedeutung der älteren Generation für die Entwicklung und den Fortbestand der Menschheit lassen sich auch für die Gegenwart noch Sinn und Aufgabe der Älteren ableiten: Entlastung der jungen Eltern, Förderung, Beratung und Unterstützung der Jugend. Für viele kann das auch heißen: jenseits familiärer Bindungen für unser Gemeinwesen Verantwortung übernehmen.
Wer weiß, vielleicht führt auch bei uns die Fürsorge von Großeltern – und seien es Leih-Omas und -Opas – da-zu, dass wieder mehr Kinder geboren werden? Vielleicht können die Großeltern von morgen, also die Midlife-Männer und -Frauen von heute, den Problemen unserer überalterten Gesellschaft selbst entgegenwirken, indem sie die Jungen unterstützen?
Während Frauen sich solche Aufgaben meistens schon früh im Leben vorstellen können, häufiger auch »fürsorgliche« Berufe gewählt haben, wachsen die Bereitschaft und der Wunsch, für andere da zu sein, bei Männern oft erst heran, wenn sie im Midlife-Männer-Land angekommen sind.
Jetzt können Männer ihr Rollen-Repertoire noch einmal ganz beträchtlich erweitern: um die bedeutende Rolle des reifen, warmherzigen und fürsorglichen Mannes nämlich, der sich aus der Konkurrenz mit den Jüngeren herauslöst, einen Schritt zurücktritt und ihnen stattdessen mit Rat und Tat, großzügig und großmütig zur Seite steht.
Dazu passen die Erkenntnisse, die der Neurowissenschaftler Robert W. Levenson von der University of California in Berkeley gewonnen hat, als er in einem Langzeitprojekt untersuchte, wie sich unser Gefühlsleben mit dem Älterwerden verändert: Erst in höherem Alter steht dem Menschen in vollem Umfang die Fähigkeit zur Verfügung, sich in andere einzufühlen, unglücklichen Situationen mit einer positiven, lebensbejahenden Haltung zu begegnen und sich um andere wirklich zu kümmern. Die höchsten Werte für emotionale Intelligenz und Empathie erreichten Levensons Versuchspersonen sogar erst jenseits der sechzig.
»Zunehmend scheint sich der Sinn des Lebens um soziale Beziehungen zu drehen und darum, für andere zu sorgen und sich selbst von anderen umsorgen zu lassen«, sagt der Wissenschaftler. »Die Evolution scheint unser Nervensystem optimal für diese zwischenmenschlichen und mitfühlenden Aktivitäten im Älterwerden eingerichtet zu haben.«
Väter, Söhne, Konkurrenten
Ich erinnere mich gut, wie mein Vater, ein ausgezeichneter Schwimmer, im Sommer 1968 mit meinem Bruder im Freibad das alljährliche Wettschwimmen veranstaltete: 50 Meter Kraulen.
Mein Vater war 49, mein Bruder 15. Und beide waren fassungslos, als mein Bruder als Erster anschlug. Zum ersten Mal hatte er den Vater besiegt. Der eine erschrak darüber, dass seine Kraft offenbar nachließ, der andere darüber, wie unerwartet stark er schon war. In einem Augenblick hatte sich das Kräfteverhältnis verschoben. Dann umarmten sich die beiden heftig. Ob die Tropfen im Gesicht meines Vaters nur Schwimmbadwasser waren, kann ich bis heute nicht sagen.
Zur Lebensmitte der Männer gehört dieser Moment, in dem ihre heranwachsenden Söhne sie erstmals überrunden. Gerhard, 51, hat mir von dem seltsamen Stich erzählt, den es ihm versetzte, als sein sechzehnjähriger Sohn ihm auf dem Mountainbike einfach davonfuhr. Entspannt strahlend erwartete ihn der Junge am Ziel, Gerhard erreichte ihn schweißgebadet und völlig außer Atem.
Und Joachim, 49, sagte, dass er es doch als ein wenig demütigend empfunden hat, wie ihn sein neunzehnjähriger Sohn Jan einfach in den Schwitzkasten nahm, kaum dass sie nach längerer Pause mal
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