Wo die coolen Kerle wohnen
eine spirituelle Dimension hat, die weit über »Lustgewinn« oder »Befriedigung« hinausreicht und uns einen neuen Zugang zum einzigartigen Wesen unseres Partners – und zu uns selbst – erschließen kann, darum geht es in den gängigen Empfehlungen selten.
Gerade in der Lebensmitte, wenn Männer und Frauen den Eindruck bekommen, dass sie den gesellschaftlich vorgegebenen »Sexstandards« nicht mehr genügen können oder wollen, lohnt sich deshalb ein Blick in die erotischen und exotischen Welten anderer Kulturen. Denn die körperlichen und seelischen Anzeichen in der Lebensmitte sprechen dafür, dass es jetzt gilt, das Konzept der zielstrebigen, auf Fortpflanzung ausgerichteten sexuellen Kraft hinter sich zu lassen und sich einem neuen, breiter und vielfältiger angelegten erotisch-sexuellen Erleben zu öffnen.
Exotische Liebeskünste und die deutsche Romantik
»Die meisten unserer Seminarteilnehmer sind zwischen 35 und 55 Jahre alt, und oft kommen sie als Paar«, erzählt Hellwig Schinko (Jahrgang ’58). Zusammen mit seiner Frau Regina König (Jahrgang ’56) hat er vor 25 Jahren das ARUNA-Institut gegründet, das die beiden seither leiten: eine Schule für Eros, Liebe und spirituelle Selbstentfaltung mit tantrischem Hintergrund. »Tantrismus ist ein spiritueller Erleuchtungsweg, der aber im Unterschied zu den meisten anderen Wegen die Sexualität ausdrücklich mit einbezieht«, erklärt Hellwig Schinko. »In unserem Institut unterstützen wir Menschen dabei, Sex, Herz und Geist in Balance zu bringen.«
Die Teilnehmer lernen in Kursen, Seminaren und Trainings, sich von alten Sexstereotypen, -strategien und -vorstellungen, die sie im Laufe ihres Lebens entwickelt haben, zu lösen. »Die meisten Männer trainieren sich ab der Pubertät, wenn sie die Onanie entdeckt haben, oft ein Muster an: ihre sexuelle Erregung möglichst schnell in einer Ejakulation zu entladen. Das kann sich dann leicht zu einem sexuellen Stereotyp verfestigen.« Auf ihrem weiteren sexuellen Weg, auf dem sich die meisten Männer zusätzlich unter einen starken Leistungsdruck setzen, weil sie gut sein und ihre Frauen zufrieden stellen möchten, eigne sich der Mann noch weitere Strategien an. Er entwickelt ein Regelwerk, ein Verhaltensregister, etwa in der Art und Weise wie er mit einer Frau umgeht und sie berührt, sich in Erregung bringt oder gegebenenfalls seinen Orgasmus hinauszögert. Die meisten dieser Strategien zielen auf eine »gute« sexuelle Performance.
Wenn dann der Sex in der Lebensmitte nicht mehr »einfach so« funktioniert wie gewohnt, geraten viele Männer in eine ernsthafte Identitätskrise und greifen nach der kleinen blauen Pille. Aus tantrischem Blickwinkel sei das unsinnig und kontraproduktiv, sagt Hellwig Schinko. »Die chemische Erektionshilfe führt zwar zur gewünschten Erektion, aber nicht zu einem feineren Spüren oder zu einer neuen Offenheit zwischen Mann und Frau. Obwohl es natürlich erleichternd sein kann, den sexuellen Akt nun ausführen zu können, handelt es sich trotzdem um eine künstliche Erregung, an der die Gefühle und die Seele nicht wirklich beteiligt sind. So erlebt man, wie es einer meiner Lehrer sehr treffend benennt, nur ›Potenz ohne Poesie‹.«
Mann und Frau sollten stattdessen viel liebevolle Zeit miteinander verbringen und möglichst alle festgefahrenen Vorstellungen von Sexualität und jeden Leistungsdruck ablegen. Es geht darum, im sexuellen Zusammensein eine neue körperliche Ausdrucksweise zu entwickeln, die sich spontan aus der jeweiligen Situation ergibt. So wird die Sexualität wieder frisch und besteht nicht nur aus der ständigen Wiederholung gewohnter Strategien. Wobei das Zusammensein eine Vereinigung durchaus einschließen kann – aber eben nicht muss. Frauen fällt es oft schwer, lockerzulassen und sich vertrauensvoll zu öffnen. Männer stehen häufig unter gewaltigem Leistungsdruck, haben Angst zu versagen, kommen zu früh oder bekommen gar keine Erektion. Aber auch durch sogenanntes weiches Eindringen – also ohne Erektion – kann ein Paar Kontakt herstellen. »Alles möglichst entspannt und ohne Erwartungen«, sagt Schinko. »Und dann mit viel Geduld auf subtilere Art hinspüren lernen, als es bei dem alten, eingefahrenen Rein-raus-Spiel überhaupt möglich war.«
Die Genitalien selbst lernten bei solchen Übungen, mehr zu empfinden, das Zentrum der Erregung verlagere sich zunehmend vom Kopf in den Körper und in die Genitalien, erklärt der Tantra-Trainer.
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