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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Schaft und die Spitze gewickelt.« Ich schlug die Augen auf.
    »Du hast die Elemente gespürt, so wie du in Sarahs Obstgarten in Madison das Wasser und in der Old Lodge die Sonnenstrahlen in der Quitte gespürt hast.« Matthew klang nachdenklich.
    »Manchmal kommt es mir so vor, als wäre die Welt voll mit unsichtbarem Potential, das sich mir immer wieder entzieht. Vielleicht wüsste ich, wie ich es nutzen kann, wenn ich wie Thetis nach Lust und Laune meine Gestalt verändern könnte.« Ich griff nach dem Bogen und einem weiteren Pfeil. Solange ich die Augen geschlossen hielt, traf ich ins Ziel. Sobald ich jedoch einen Blick auf meine Umgebung wagte, schoss ich meilenweit daneben.
    »Das genügt für heute«, sagte Matthew und massierte einen Muskelknoten, der sich über meinem rechten Schulterblatt zu bilden begann. »Der Koch erwartet noch in dieser Woche Regen. Vielleicht sollten wir reiten gehen, solange das Wetter hält.« Der Koch war nicht nur ein Naturtalent in Sachen Gebäck, sondern auch ein einigermaßen zuverlässiger Meteorologe. Normalerweise ließ er uns mit dem Frühstückstablett auch eine Wettervorhersage zukommen.
    Wir ritten aus und entdeckten auf dem Heimweg mehrere große Feuer auf den Feldern. Sept-Tours war hell von Fackeln erleuchtet. Heute Abend wurden die Saturnalien gefeiert, der offizielle Beginn der Feiertagssaison im Château. Ökumenisch gesinnt, wie Philippe war, wollte er niemanden ausschließen und gab römischen wie christlichen Traditionen gleich viel Raum. In dem Mischmasch fanden sich sogar verstreute Jul-Traditionen wieder, die, davon war ich überzeugt, auf den abwesenden Gallowglass zurückzuführen waren.
    »Ihr seid einander doch hoffentlich nicht schon wieder leid!«, dröhnte Philippe bei unserer Rückkehr von der Sängergalerie herab. Er trug ein prächtiges Geweih auf dem Kopf und sah aus wie eine bizarre Mischung aus Löwe und Hirsch. »Wir hätten gedacht, ihr bleibt noch mindestens zwei Wochen in eurem Zimmer. Aber wenn ihr schon da seid, könnt ihr euch auch nützlich machen. Nehmt ein paar Sterne und Monde und hängt sie an jeden freien Fleck.«
    Der große Saal war mit so viel Grünzeug dekoriert, dass er wie ein Wald aussah und roch. Mehrere Weinfässer standen bereit, sodass die Feiernden sich ein Schälchen genehmigen konnten, wann immer ihnen der Sinn danach stand. Unsere Rückkehr wurde allseits bejubelt. Die mit der Dekoration befassten Anwesenden wollten, dass Matthew am Kamin hochkletterte und an einem der Deckenbalken einen großen Ast befestigte. So behände, wie er die Steine erklomm, war klar, dass er das nicht zum ersten Mal machte.
    Es war unmöglich, sich der fröhlichen Stimmung zu verschließen, und als es Zeit fürs Abendessen wurde, erklärten wir uns bereit, bei einem Rollentausch mitzumachen, bei dem die Diener kommandieren durften und die Herren sie bedienten, weshalb sie den Gästen das Essen auftragen mussten. Mein Liebling Thomas zog den längsten Strohhalm und wachte als Narrenkönig über die Veranstaltung. Er saß an Philippes Platz auf einem Stapel Kissen und trug die unglaublich kostbare Gold- und Rubinkrone von der Galerie, als wäre es eine Theaterrequisite. Selbst der bizarrste Befehl, den er erteilte, wurde von Philippe in seiner Rolle als Hofnarr erfüllt. Unter anderem wünschte sich Thomas an diesem Abend, dass Philippe mit Alain einen romantischen Tanz aufführen sollte (Matthews Vater erklärte sich bereit, die Rolle der Frau zu übernehmen), dass die Hunde mit einer hohen Pfeife zum Wahnsinn getrieben und Schattendrachen die Wände hochgejagt werden sollten, bis die Kinder laut zu schreien begannen.
    Philippe dachte auch an die Erwachsenen und arrangierte ausgeklügelte Glücksspiele, um sie beschäftigt zu halten, während er seine kleinsten Untertanen unterhielt. Er überreichte jedem Erwachsenen einen Sack Bohnen und versprach demjenigen, der am Ende des Abends die meisten Bohnen besaß, einen Sack Geld. Die stets aufgeweckte Catrine verdiente sich ein Vermögen, indem sie Küsse gegen Bohnen verkaufte, und hätte ich auch ein paar Bohnen bekommen, dann hätte ich sie alle darauf verwettet, dass sie zuletzt den Preis einheimsen würde.
    Den ganzen Abend sah ich, wenn ich aufschaute, Matthew und Philippe beieinanderstehen und miteinander plaudern oder witzeln. Jedes Mal, wenn sie die Köpfe zusammensteckten, einer dunkel, einer hell, war ich von Neuem überrascht, wie verschieden sie waren. Dabei waren sie sich in anderer

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