Wo die Nacht beginnt
Hinsicht so ähnlich. Jeden Tag schliff Philippe mit seiner unauslöschlich guten Laune etwas von Matthews scharfen Kanten ab. Hamish hatte recht gehabt: Matthew war hier ein anderer. Ich fand ihn hier noch faszinierender. Und trotz meiner Befürchtungen in Mont Saint-Michel gehörte er mir immer noch ganz und gar.
Matthew spürte meinen Blick und sah mich quer durch den Saal fragend an. Ich pustete ihm lächelnd einen Kuss zu. Er senkte schüchtern und geschmeichelt den Kopf.
Gegen Mitternacht zog Philippe einen Überwurf von einem Gegenstand neben dem Kamin.
»Mein Gott. Philippe hatte geschworen, dass er diese Uhr wieder zum Laufen bringen würde, aber ich habe ihm nicht geglaubt.« Matthew gesellte sich zu mir, während Kinder und Erwachsene vor Freude jubelten.
Die Uhr war mit keiner zu vergleichen, die ich bis dahin gesehen hatte. Ein geschnitztes und vergoldetes Gehäuse umgab einen Wasserbehälter. Aus dem Behälter ragte eine lange Kupferröhre auf, aus der Wasser in die Hülle eines prachtvollen Schiffsmodells tropfte, das wiederum an einer um einen Zylinder gewickelten Schnur hing. Je tiefer das Schiff vom Gewicht des Wassers gezogen wurde, desto weiter drehte sich der Zylinder, wodurch der Zeiger über das Zifferblatt gezogen wurde und die Zeit anzeigte. Die ganze Apparatur war fast so groß wie ich.
»Was passiert um Mitternacht?«, fragte ich.
»Bestimmt hat es irgendwas mit dem Schwarzpulver zu tun, das er gestern geliefert haben wollte«, erklärte Matthew grimmig.
Nachdem Philippe die Uhr angemessen feierlich enthüllt hatte, hielt er eine Rede auf vergangene und gegenwärtige Freunde und auf seine alte und neue Familie, so wie es sich bei einem Fest, das einem antiken Gott geweiht war, geziemte. Er benannte jeden Einzelnen, den die Gemeinschaft im Lauf des letzten Jahres verloren hatte, sogar (auf Wunsch des Narrenkönigs) Thomas’ Kätzchen Prunelle, das auf tragische Weise zu Tode gekommen war. Währenddessen rückte der Zeiger langsam auf die Zwölf zu.
Genau um Mitternacht detonierte das Schiff mit einer ohrenbetäubenden Explosion. Bebend erstarrte das Uhrwerk in dem zersplitterten Holzgehäuse.
» Skata.« Philippe blickte traurig auf seine ruinierte Uhr.
»Monsieur Finé, Gott sei seiner Seele gnädig, wäre gar nicht erfreut über deine Verbesserungen an seinem Entwurf.« Matthew wedelte den Rauch vor seinen Augen beiseite und beugte sich vor, um den Schaden in Augenschein zu nehmen. »Jedes Jahr probiert Philippe etwas Neues aus: Wasserstrahlen, Glockenschläge, eine mechanische Eule, die jede Stunde ruft. Er bastelt an dem Ding herum, seit König François es beim Kartenspiel an ihn verloren hat.«
»Die Kanone sollte eigentlich winzige Funken sprühen und eine kleine Rauchwolke ausstoßen. Das hätte den Kindern bestimmt gefallen«, verkündete Philippe beleidigt. »Dein Schwarzpulver ist einfach zu stark, Matthaios.«
Matthew lachte. »Dem Ergebnis nach zu urteilen ganz eindeutig.«
»C’est dommage«, erklärte Thomas unter mitfühlendem Kopfschütteln. Er kauerte neben Philippe, die Krone schief auf dem Scheitel, und sah in seiner Besorgnis fast erwachsen aus.
» Pas de problème. Nächstes Jahr klappt es bestimmt«, versicherte Philippe ihm hoheitsvoll.
Kurz darauf ließen wir die Leute aus Saint-Lucien alleine weiterspielen und -feiern. Oben lagerte ich am Kamin, während Matthew die Kerzen löschte und sich ins Bett legte. Als ich zu ihm kletterte, zog ich mein Nachthemd hoch und ließ mich rittlings auf ihm nieder.
»Was tust du da?« Matthew war überrascht, sich rücklings in seinem Bett liegend wiederzufinden, während seine Frau auf ihm thronte.
»Der Rollentausch gilt nicht nur für euch Männer«, sagte ich und kratzte mit den Nägeln über seine Brust. »Im Studium habe ich einen Artikel mit dem Titel Frauen obenauf gelesen.«
»Nachdem du sowieso ständig das Kommando übernehmen willst, kann ich mir nicht vorstellen, dass du viel daraus gelernt hast, mon cœur.« Matthews Blick wurde weich, als ich mich zurechtrückte, um ihn fester zwischen meine Schenkel zu nehmen.
»Schmeichler.« Meine Fingerspitzen wanderten von seinen schlanken Hüften über die Mulde an seinem Bauch bis an die kraftvollen Schultern. Ich beugte mich vor, presste seine Arme auf die Matratze und bot ihm so durch den weiten Kragen des Nachthemds einen exzellenten Ausblick auf meinen Körper. Er stöhnte.
»Willkommen in der verkehrten Welt.« Ich gab ihn kurz frei, damit er mir das
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