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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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gefalteten Papiere. »Hugh, mein Ältester, brachte ihn damals in die Familie. Hugh entschied immer sehr klug, mit wem er sein Blut teilte, und Gallowglass war da keine Ausnahme. Er ist ein furchtloser Krieger und teilt das Ehrgefühl seines Vaters. Es tröstet mich zu wissen, dass mein Enkel in England mit Matthew zusammen ist.«
    »Matthew spricht so gut wie nie über Hugh.«
    »Er stand Hugh näher als jedem seiner Brüder. Als Hugh mit den letzten Tempelrittern durch die Hand der Kirche und des Königs starb, erschütterte das Matthews Glauben in den Grundfesten. Er brauchte lange, um aus seinem Blutrausch zu erwachen und zu uns zurückzukehren.«
    »Und Gallowglass?«
    »Gallowglass ist noch nicht bereit, seine Trauer hinter sich zu lassen, und davor wird er auf keinen Fall französischen Boden betreten. Genau wie Matthew übte auch mein Enkel Rache an jenen Männern, die Hughs Vertrauen missbraucht hatten, aber mit Rache lässt sich ein tiefer Verlust niemals heilen. Eines Tages wird mein Enkel zurückkehren, davon bin ich überzeugt.« Einen Moment wirkte Philippe gealtert, nicht mehr wie der virile Herrscher, sondern wie ein Vater, der das Unglück hatte, seine Söhne zu überleben.
    »Danke, Philippe.« Ich zögerte eine Sekunde und legte dann meine Hand auf seine. Er drückte sie kurz und stand auf, um nach einem der Alchemiebücher zu greifen. Es war Godfreys wunderschön illustrierte Ausgabe der Aurora Consurgens, jenes Textes, der mich erstmals nach Sept-Tours gelockt hatte.
    »Ein merkwürdiges Gebiet, die Alchemie«, murmelte Philippe, während er die Seiten durchblätterte. Er stieß auf das Bild, auf dem sich der Sonnenkönig und die Mondkönigin auf dem Rücken eines Löwen und eines Drachen mit Lanzen duellierten, und lächelte breit. »Ja, das passt.« Er schob eines der gefalteten Papiere zwischen die Seiten.
    »Was tust du da?« Er hatte mich neugierig gemacht.
    »Das ist ein Spiel zwischen mir und Ysabeau. Wenn einer von uns weggeht, hinterlassen wir uns in unseren Büchern Nachrichten. Jeden Tag geschieht so viel, dass es unmöglich ist, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, wenn wir uns schließlich wiedersehen. Auf diese Weise stolpern wir, wenn wir es am wenigsten erwarten, über kleine Erinnerungen wie diese und können sie miteinander teilen.«
    Philippe trat an ein Regal und zog ein Buch mit abgegriffenem Ledereinband heraus. »Dies ist eine unserer liebsten Erzählungen, der Gesang des Armouris. Ysabeau und ich haben einen schlichten Geschmack, und wir lieben Abenteuergeschichten. Hierin haben wir schon immer Botschaften versteckt.« Er stopfte eine Papierrolle in die Aussparung zwischen der Bindung und dem Pergamentrücken. Als er das Buch zurückstellen wollte, fiel unten ein kleines Rechteck heraus.
    »Ysabeau hat sich angewöhnt, mit einem Messer zu arbeiten, sodass ihre Nachrichten nicht mehr so leicht zu finden sind. Diese Frau ist voller Listen. Mal sehen, was sie mir schreibt.« Philippe öffnete das Papier und las es schweigend. Er blickte mit einem Funkeln in den Augen auf, und auf seinen Wangen war ein leiser Anflug von Röte zu erkennen.
    Ich erhob mich lachend. »Ich glaube, du solltest deine Antwort lieber allein verfassen!«
    »Sieur!« Alain stand mit ernster Miene und nervös in der Tür. »Mehrere Boten sind eingetroffen. Einer aus Schottland. Einer aus England. Ein Dritter aus Lyon.«
    Philippe seufzte und stieß einen leisen Fluch aus. »Sie hätten wenigstens bis nach dem Christfest warten können.«
    Mir zog es den Mund zusammen.
    »Das sind bestimmt keine guten Nachrichten«, bestätigte Philippe, als er meine Miene bemerkte. »Was meldet der Bote aus Lyon?«
    »Um sich zu schützen, berichtete Champier vor seiner Abreise seinen Freunden, dass man ihn hierherbestellt hatte. Nachdem er nicht heimgekehrt ist, beginnen sie nun Fragen zu stellen. Eine Gruppe Hexer macht Anstalten, die Stadt zu verlassen und nach ihm zu suchen, und sie werden bald bei uns eintreffen«, erklärte Alain.
    »Wann?«, flüsterte ich. Sie kamen zu früh.
    »Der Schnee wird sie aufhalten, und über die heiligen Tage werden sie nur langsam vorankommen. In ein paar Tagen, vielleicht einer Woche.«
    »Und die anderen Boten?«, fragte ich Alain.
    »Die sind im Dorf und suchen nach Milord.«
    »Bestimmt, um ihn nach England zurückzuholen«, vermutete ich.
    »In diesem Fall empfehle ich die Abreise am Weihnachtstag. Dann ist kaum jemand unterwegs, und der Mond ist dunkel. Das sind ideale

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