Wo die Nacht beginnt
erzählt. Ihr hängt immer noch dem Papst und der katholischen Messe an. Er erkannte trotzdem den Menschen hinter Eurem Irrglauben, und ich habe es ihm gleichgetan, weil ich immer noch hoffe, dass Ihr eines Tages die Wahrheit erkennen und ihr folgen werdet.«
»Obwohl Ihr Tag für Tag Kreaturen wie Diana und mir gegenübersteht und dennoch die Wahrheit leugnet?« Matthew klang müde. Er stand auf. »Wir werden Euch nicht mehr behelligen, Mary. Diana wird woanders eine Hexe finden.«
»Warum können wir es nicht halten wie zuvor und das Thema einfach meiden?« Die Countess sah mich unsicher an.
»Weil ich meine Frau liebe und alles dafür tun werde, dass ihr kein Unheil geschieht.«
»Diana hat von mir nichts zu befürchten, Matt. Aber ansonsten solltet Ihr niemandem in London von ihr erzählen. Was in Schottland geschieht, macht den Menschen Angst, und sie sind nur allzu gern bereit, anderen die Schuld für ihr unglückseliges Schicksal zuzuschieben.«
»Das mit Euren Schuhen tut mir leid«, sagte ich verlegen. Sie waren ruiniert.
»Wir werden nicht wieder davon sprechen«, erklärte Mary fest und erhob sich zum Abschied.
Keiner von uns sagte ein Wort, bis wir Baynard’s Castle verlassen hatten. Pierre kam hinter uns aus dem Torhaus geschlendert und drückte sich die Kappe in die Stirn.
»Das lief doch ausgezeichnet, finde ich«, brach Henry das Schweigen.
Wir drehten uns ungläubig zu ihm um.
»Gewiss gab es einige Schwierigkeiten«, erklärte er hastig, »aber es lässt sich nicht leugnen, dass Mary an Diana interessiert und Euch immer noch treu ergeben ist, Matthew. Lasst ihr Zeit. Sie wurde nicht zur Leichtgläubigkeit erzogen.« Er wickelte sich fester in seinen Umhang. Der Wind wehte noch genauso stark, und es wurde allmählich dunkel. »Leider muss ich Euch hier verlassen. Meine Mutter ist in Aldersgate und erwartet mich zum Abendessen.«
»Hat sie sich von ihrer Indisposition erholt?«, erkundigte sich Matthew. Die Gräfinwitwe hatte während der Weihnachtstage über Kurzatmigkeit geklagt, und Matthew machte sich Sorgen, dass es ihr Herz sein könnte.
»Meine Mutter ist eine Neville. Sie wird also ewig leben und bei jeder Gelegenheit Unfrieden stiften!« Henry gab mir einen Kuss auf die Wange. »Macht Euch wegen Mary oder …, ähm, dieser anderen Sache keine Sorgen.« Er wackelte vielsagend mit den Brauen und verschwand.
Matthew und ich sahen ihm nach und kehrten dann nach Blackfriars zurück. »Was ist passiert?«, wollte er leise wissen.
»Früher wurde meine Magie durch Emotionen ausgelöst. Jetzt genügt eine simple Frage, und schon blicke ich hinter die Oberfläche der Dinge. Trotzdem habe ich keine Ahnung, wie ich diese Biene zum Leben erweckt habe.«
»Gott sei Dank hast du dir nur über Marys Schuhe Gedanken gemacht. Wenn du dir über ihre Wandteppiche den Kopf zerbrochen hättest, hätten wir uns womöglich in einem Krieg der olympischen Götter wiedergefunden«, kommentierte er trocken.
Wir marschierten zügig über den Kirchhof von St. Paul’s und kehrten von dort aus nach Blackfriars zurück, wo das hektische Treiben inzwischen zu einem gemächlicheren Trott abgeklungen war. Handwerker standen in Grüppchen in den Hauseingängen und unterhielten sich übers Geschäft, während ihre Lehrlinge die letzten Tagesarbeiten erledigten.
»Sollen wir etwas zu essen mitnehmen?« Matthew deutete auf eine Bäckerei. »Es ist keine Pizza, aber Kit und Walter lieben Priors Fleischpasteten.« Der aus dem Laden dringende Duft ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, und ich nickte.
Meister Prior erschrak, als Matthew sein Geschäft betrat, und reagierte völlig perplex, als er ausgiebig über die Herkunft und die Frische seiner Produkte befragt wurde. Schließlich entschied ich mich für eine intensiv duftende Entenpastete. Wild würde ich keines nehmen, ganz gleich, wie frisch es war.
Matthew zahlte, während die Gehilfen des Bäckers unsere Waren einpackten. Alle paar Sekunden warfen sie uns verstohlene Blicke zu. Mir wurde wieder einmal bewusst, dass eine Hexe und ein Vampir das menschliche Misstrauen anzogen wie eine Kerze die Motten.
Wir aßen gemütlich und in aller Ruhe zu Abend, wenngleich Matthew mir dabei ein bisschen gedankenverloren vorkam. Ich hatte gerade meine Pastete aufgegessen, da hörte ich Schritte auf der Holztreppe. Nicht Kit , flehte ich insgeheim. Nicht heute Abend.
Als Françoise die Tür öffnete, standen zwei Männer in den vertrauten dunkelgrauen Livreen
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