Wo die Nacht beginnt
abzuholen?«
Obwohl Ich keine Ahnung hatte, von welchem Buch er sprach, nickte ich zuversichtlich, woraufhin er ein schmales Bändchen von einem hohen Regalbrett herunterzog. Ich blätterte es kurz durch. Es handelte von militärischen und ballistischen Fragen.
»Ich bedaure, dass wir keine gebundene Ausgabe Eures Heilbuches hatten«, erklärte er, während er Matthews neueste Erwerbung verpackte. »Wenn Ihr es ein paar Tage erübrigen könntet, würde ich es Euren Wünschen entsprechend binden lassen.«
Von hier stammte also mein Kompendium der Krankheiten und Heilmethoden. »Ich danke Euch, Master …« Ich verstummte hilflos.
»Field«, ergänzte er freundlich.
»Master Field«, wiederholte ich. Aus dem Büro hinter dem Laden trat eine junge Frau mit klaren Augen und einem Baby auf der Hüfte und einem Kleinkind am Rockzipfel. Ihre Finger waren rissig und tintenfleckig.
»Mistress Roydon, dies ist meine Frau Jacqueline.«
»Ah. Madame Roydon.« Die Frau sprach mit weichem französischem Akzent, der mich an Ysabeau erinnerte. »Euer Gemahl erzählte uns bereits, dass Ihr sehr belesen seid, und Margaret Hawley berichtet, dass Ihr Euch mit Alchemie befasst.«
Jacqueline und ihr Mann waren wirklich gut über mich informiert. Zweifellos kannten sie auch meine Schuhgröße und wussten, welche Fleischpasteten ich am liebsten aß. Daher erschien es mir umso befremdlicher, dass anscheinend niemand in Blackfriars mich als Hexe erkannt hatte.
»Ja«, sagte ich und zog den Saum meiner Handschuhe straff. »Verkauft Ihr auch ungebundenes Papier, Master Field?«
»Natürlich«, antwortete Field und zog verdutzt die Brauen zusammen. »Habt Ihr Euer Büchlein bereits gefüllt?« Aha. Auch mein Notizbuch stammte von hier.
»Ich brauche Papier für meine Korrespondenz«, erklärte ich. »Und Siegelwachs. Und ein Siegel. Kann ich all das bei Euch erwerben?« In der Buchhandlung in Yale gab es alle Arten von Schreibwaren, auch Stifte und Stäbe aus buntem, völlig unbrauchbarem Wachs und dazu billige Messingsiegel in Form einzelner Lettern. Field und seine Frau sahen sich kurz an.
»Ich werde heute Nachmittag einige Bogen Papier in Euer Haus schicken«, sagte er. »Aber für das Siegel wendet Ihr Euch lieber an einen Goldschmied, der es in einen Ring einfassen kann. Hier habe ich nur abgenutzte Lettern aus der Druckerpresse, die eingeschmolzen und neu gegossen werden müssen.«
»Oder Ihr wendet Euch an Nicholas Vallin«, schlug Jacqueline vor. »Er versteht meisterhaft mit edlen Metallen umzugehen, Mistress Roydon, und fertigt außerdem die schönsten Uhren.«
»Einfach die Straße hinunter?«, fragte ich und deutete über meine Schulter zur Tür.
»Er ist kein Goldschmied!«, protestierte Field. »Wir wollen Monsieur Vallin keinen Ärger machen.«
Jacqueline ließ sich nicht von ihrem Vorschlag abbringen. »Es hat auch Vorteile, in Blackfriars zu leben, Richard. Einer dieser Vorteile ist, dass man außerhalb der strengen Gildengesetze arbeiten kann. Außerdem wird die Goldschmiedegilde niemanden hier behelligen, nur weil er etwas so Unbedeutendes wie einen Frauenring hergestellt hat. Für das Siegelwachs, Mistress Roydon, müsstet Ihr allerdings zum Apotheker gehen.«
Seife stand ebenfalls auf meiner Einkaufsliste. Und Apotheker arbeiteten mit Destillierkolben. Obwohl ich mich inzwischen aus reiner Notwendigkeit weniger auf die Alchemie und eher auf die Magie konzentrierte, wollte ich keine Gelegenheit auslassen, etwas Nützliches zu lernen.
»Wo ist der nächte Apotheker?«
Pierre räusperte sich. »Vielleicht solltet Ihr das mit Master Roydon besprechen.«
Matthew hatte bestimmt eine ganz eigene Meinung zu alldem und würde höchstwahrscheinlich Françoise oder Pierre ausschicken, um mir alles Notwendige zu besorgen. Die Fields warteten gespannt auf meine Antwort.
»Vielleicht«, sagte ich und sah Pierre aufmüpfig an. »Dennoch würde ich gern Mistress Fields Empfehlungen hören.«
»John Hester ist sehr angesehen«, antwortete Jacqueline mit einem Anflug von Boshaftigkeit und zupfte dabei das Kleinkind von ihrem Rocksaum. »Er hat letztes Jahr eine Tinktur für das Ohr meines Sohnes angerührt und es damit geheilt.« John Hester interessierte sich, wenn mich die Erinnerung nicht trog, ebenfalls für Alchemie. Vielleicht kannte er eine Hexe. Vielleicht war er sogar selbst ein Hexer, was meinen geheimen Absichten sehr entgegenkäme. Ich war heute nämlich nicht nur auf Einkaufsbummel. Ich wollte auch gesehen
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