Wo die Nacht beginnt
Hexen gegen mein Weib und mein Kind wenden könnten.«
»Es war also eine Hexe, kein Wearh , die Euch solche Verletzungen zugefügt hat«, sagte Goody Alsop leise. »Ich habe den Schmerz gespürt und begriffen, dass eine Hexe Anteil daran hatte, dennoch hatte ich gehofft, dass sie den Schaden zu heilen versuchte, statt ihn Euch zuzufügen. Wie weit ist es mit der Welt gekommen, dass eine Hexe einer anderen so etwas antut?«
Matthew sah Goody Alsop eindringlich an. »Vielleicht hatte die Hexe ebenfalls erkannt, dass Diana eine Weberin ist.«
Ich war noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass Satu das gewusst haben könnte. Nach dem, was Goody Alsop mir über die Einstellung meiner Mithexen zu den Weberinnen erzählt hatte, geriet mein Blut sofort in Wallung, sobald ich mir vorstellte, dass Peter Knox und seine Kumpane in der Kongregation mich verdächtigen könnten, über solche Fähigkeiten zu verfügen. Matthew nahm meine Hand.
»Es ist möglich, aber mit Sicherheit kann ich das nicht sagen«, erklärte Goody Alsop uns bedauernd. »Trotzdem müssen wir in der Zeit, die uns die Göttin gewährt, alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um Diana für die Zukunft zu wappnen.«
»Stopp!« Ich klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch. Ysabeaus Ring schlug hell auf das harte Holz. »Ihr redet alle so, als wäre diese Weberei-Sache schon geklärt. Dabei kann ich nicht einmal eine Kerze entzünden. Meine Begabung liegt in der Magie. Ich habe Wind, Wasser – und sogar Feuer – in meinem Blut.«
»Ich habe die Seele Eures Gemahls gesehen, Diana, darum wird es Euch nicht überraschen, dass ich auch Eure Kraft gesehen habe. Aber ganz gleich, was Ihr glaubt, Ihr seid weder eine Feuerhexe noch eine Wasserhexe. Ihr könnt diese Elemente nicht kommandieren. Falls Ihr so töricht wärt, es zu versuchen, würden sie Euch vernichten.«
»Aber ich wäre um ein Haar in meinen eigenen Tränen ertrunken«, widersprach ich störrisch. »Und ich habe einen Wearh mit einem Pfeil aus Hexenfeuer getötet, um Matthew zu retten. Meine Tante erkannte das am Geruch.«
»Eine Feuerhexe bräuchte keine Pfeile. Das Feuer strömt aus ihr heraus und trifft im selben Augenblick in sein Ziel.« Goody Alsop schüttelte den Kopf. »Das waren nur schlichte Gewebe, mein Kind, entstanden aus Kummer und Liebe. Die Göttin hat Euch ihren Segen gegeben, Euch die Kräfte zu leihen, die Ihr benötigt, aber Ihr dürft sie nicht wirklich beherrschen.«
»Sie zu leihen.« Ich dachte über die frustrierenden Ereignisse der letzten Monate nach, über die immer wieder aufglimmenden magischen Kräfte, die sich nie so entfalteten, wie ich mir das vorstellte. »Darum kommen und gehen diese Fähigkeiten also. Sie haben mir nie wirklich gehört.«
»Keine Hexe könnte so viel Kraft in sich tragen, ohne dass es die ganze Welt aus dem Gleichgewicht brächte. Eine Weberin wählt sorgsam aus der Magie um sie herum aus und nutzt sie dazu, etwas Neues zu formen.«
»Aber es muss doch jetzt schon Tausende von Zauberformeln geben – ganz zu schweigen von Talismanen und Zaubertränken. Bestimmt ist nichts von dem, was ich tue, wirklich neu.« Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn und spürte die Kälte an der Stelle, an der Philippe seinen Bluteid vollzogen hatte.
»Alle Zauberformeln entstehen aus etwas: einem Moment der Not, einem Begehren, einer Bedrohung, die anders nicht zu überwinden ist. Und jemand hat sie zusammengefügt.«
»Die erste Hexe«, flüsterte ich. Einige Hexen glaubten, dass Ashmole 782 das erste Zauberbuch sei, ein Buch, das die ursprünglichen Zauberformeln und Beschwörungen unseres Volkes enthielt. Dies hier war eine weitere Verbindung zwischen mir und dem mysteriösen Manuskript. Ich sah Matthew an.
»Die erste Weberin«, korrigierte Goody Alsop mich nachsichtig, »und jene, die ihr folgten. Weberinnen sind nicht nur Hexen, Diana. Susanna ist eine große Hexe und weiß mehr über die Magie der Erde und ihre Überlieferungen als jede ihrer Schwestern in London. Doch trotz all ihrer Gaben kann sie keinen neuen Zauberspruch weben. Ihr dagegen schon.«
»Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wo ich anfangen soll«, sagte ich.
»Ihr habt dieses Küken schlüpfen lassen«, sagte Goody Alsop und deutete auf das schläfrige gelbe Flauschkügelchen.
»Aber ich wollte eigentlich ein Ei aufschlagen!«, protestierte ich. Seit ich wusste, worum es beim Bogenschießen geht, war mir bewusst, wo mein Problem lag. Wie meine Pfeile
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