Wo die Nacht beginnt
müssen wir uns darauf konzentrieren, Euch zu lehren, wie Ihr die Magie lenken könnt, die Euch durchfließt.«
»Meine Kräfte sind höchst ungezogen«, gab ich zu und dachte dabei an die verschrumpelte Quitte und Marys ruinierte Schuhe. »Ich weiß nie, was als Nächstes passiert.«
»Das ist nicht ungewöhnlich für eine Weberin, die zum ersten Mal ihre Kräfte spürt. Aber Euer Strahlen kann jedermann sehen und fühlen, selbst die Menschen. Wenn die Hexen Euren Glaem sehen, so wie die junge Annie, könnten sie dieses Wissen für ihre eigenen Zwecke nutzen. Wir werden weder Euch noch das Kind in Vater Hubbards Klauen fallen lassen. Ich nehme an, Ihr könnt die Kongregation auf Abstand halten?«, fragte sie und blickte Matthew ernst an. Sein Schweigen nahm sie als Zustimmung. »Sehr schön. Dann kommt montags und donnerstags zu mir, Diana. Mistress Norman wird Euch dienstags besuchen. Ich werde mittwochs nach Marjorie Cooper schicken und freitags nach Elizabeth Jackson und Catherine Streeter. Diana wird ihre Hilfe brauchen, um das Feuer und das Wasser in ihrem Blut zu besänftigen, sonst wird sie nie mehr als nur eine Dampfwolke hervorbringen.«
»Vielleicht ist es nicht klug, all diese Hexen in Dianas Geheimnis einzuweihen«, sagte Matthew.
»Master Roydon hat recht. Es wird ohnehin zu viel über die Hexe gemunkelt. John Chandler hat von ihr erzählt, um sich bei Vater Hubbard einzuschmeicheln. Bestimmt können wir beide ihr alles Notwendige beibringen«, pflichtete Susanna ihm bei.
»Und seit wann seid Ihr eine Feuerhexe?«, schoss Goody Alsop zurück. »In dem Blut des Kindes lodern die Flammen nur so. Meine Gaben verdanke ich vor allem dem Hexenwind, Eure beruhen auf der Kraft der Erde. Allein können wir das nicht bewerkstelligen.«
»Wenn wir an Eurem Plan festhalten, wird unser Zirkel Aufmerksamkeit erregen. Wir sind nicht mehr als dreizehn Hexen, und Ihr schlagt vor, fünf davon in diese Angelegenheit einzuweihen. Soll ein anderer Zirkel sich Mistress Roydons annehmen – der in Moorgate vielleicht oder der von Aldgate.«
»Der Zirkel in Aldgate ist mittlerweile viel zu groß, Susanna. Er kann seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr regeln, von der Unterweisung einer Weberin ganz zu schweigen. Außerdem ist der Weg für mich zu weit, und die üble Luft am Stadtgraben ist nicht gut für mein Rheuma. Wir werden sie in diesem Bezirk erziehen, so wie es die Göttin vorgesehen hat.«
»Ich kann aber nicht …«, setzte Susanna an.
»Ich bin Eure Älteste, Susanna. Wenn Ihr dagegen Protest erheben wollt, werdet Ihr eine Entscheidung durch die Rede bewirken müssen.« Schlagartig wurde es unangenehm stickig im Raum.
»Wie du meinst, Goody. Ich werde Queenhithe befragen.« Susanna schien von ihrer eigenen Ankündigung überrascht.
»Wer ist Queen Hithe?«, fragte ich Matthew halblaut.
»Queenhithe ist ein Ort, keine Person«, murmelte er. »Aber was soll das für eine Rede sein?«
»Ich habe keine Ahnung«, gestand ich.
»Hört auf zu flüstern.« Goody Alsop schüttelte ärgerlich den Kopf. »Solange Fenster und Türen durch einen Zauber versiegelt sind, wühlt Euer Gemurmel die Luft auf und schmerzt mir in den Ohren.«
Nachdem die Luft wieder zur Ruhe gekommen war, fuhr Goody Alsop fort: »Susanna hat mein Privilegium in dieser Sache infrage gestellt. Da ich die Führerin des Zirkels von Garlickhythe bin – und dazu die Älteste des Sprengels von Vintry –, muss Mistress Norman ihren Fall den anderen Sprengelältesten in London vortragen. Die werden über unser weiteres Vorgehen entscheiden, so wie immer, wenn es unter Hexen zu Zwist kommt. Es sind sechsundzwanzig Älteste, die gemeinsam als Rede bezeichnet werden.«
»Die Rede ist also ein politisches Gremium?«, fragte ich.
»Ein politisches und vor allem kluges Gremium. Wenn wir unsere Dispute nicht selbst klären würden, hätte Vater Hubbard seine Wearh- Finger in all unseren Angelegenheiten«, erklärte Goody Alsop. »Ich hoffe, ich habe Euch damit nicht beleidigt, Master Roydon.«
»Das habt Ihr nicht, Goody Alsop. Aber wenn Ihr diese Sache vor dem Ältestenrat klären wollt, werden alle Hexen in London von Diana erfahren.« Matthew stand auf. »Das kann ich nicht erlauben.«
»Es hat schon jede Hexe in der Stadt von Eurer Frau gehört. Neuigkeiten verbreiten sich hier in Windeseile, nicht zuletzt dank Eurem Freund Christopher Marlowe.« Goody Alsop legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. »Setzt Euch, Master Roydon. Meine
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