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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Kuriositätenkabinetten Bericht erstatten. Die Nachricht, dass wir in die Privatgemächer des Kaisers vorgelassen worden waren, war unserer Rückkehr vorausgeeilt, und am nächsten Morgen hatten die Frauen der Kleinseite gierig auf meinen Bericht gewartet.
    Dass seither kaiserliche Boten und die livrierten Dienstboten der verschiedensten böhmischen Adligen und ausländischen Würdenträger in unserem Haus ein und aus gingen, hatte ihre Neugier zusätzlich angeheizt. Seit Matthew am kaiserlichen Hof empfangen worden war, leuchtete sein Stern wieder am imperialen Himmel, und seine alten Freunde erkannten an, dass er in der Stadt war – und baten ihn um Hilfe. Pierre holte die Rechnungsbücher hervor, und wenig später hatte die Prager Zweigstelle der Clermontbank geöffnet, wobei ich allerdings auffallend wenige Einzahlungen und umso mehr Ausgaben sah, mit denen längst überfällige Rechnungen der Kaufleute in der Prager Altstadt beglichen wurden.
    »Der Kaiser hat dir was geschickt«, sagte Matthew, als ich vom Markt zurückkam. Er deutete mit dem Federkiel auf einen klumpigen Sack. »Wenn du es öffnest, wird Rudolf erwarten, dass du ihm persönlich dafür dankst.«
    »Was könnte das sein?« Ich betastete den Sack. Ein Buch jedenfalls nicht.
    »Etwas, das wir lieber nicht bekommen hätten, wette ich.« Matthew rammte den Kiel so energisch ins Tintenfass, dass dicke schwarze Tropfen auf die Tischplatte spritzten. »Rudolf ist ein Sammler, Diana. Und er interessiert sich nicht nur für Narwalhörner oder Bezoarsteine. Daneben sammelt er auch Menschen, die er genauso ungern wieder hergibt, nachdem er sie erst einmal in Besitz genommen hat.«
    »So wie Kelley«, sagte ich und löste die Verschnürung. »Aber ich bin nicht käuflich.«
    »Wir sind alle käuflich.« Matthews Augen wurden groß. »Guter Gott.«
    Zwischen uns erhob sich eine sechzig Zentimeter große, silbern-goldene Statue der Göttin Diana, die, mit nichts als einem Köcher bekleidet, in Damensattelhaltung und mit züchtig verschränkten Fesseln auf einem Hirschen ritt. Zu ihren Füßen saßen zwei Jagdhunde.
    Gallowglass pfiff leise durch die Zähne. »Also, ich würde sagen, diesmal lässt der Kaiser keinen Zweifel daran, was er will.«
    Aber ich beachtete ihn kaum, weil ich damit beschäftigt war, die Statue zu untersuchen. Im Sockel war ein kleiner Schlüssel eingearbeitet. Ich drehte ihn, und der Hirsch schoss über den Boden davon. »Schau mal, Matthew. Hast du das gesehen?«
    »Keine Angst, Onkelchen wird bestimmt nicht das Interesse verlieren«, versicherte mir Gallowglass.
    Es stimmte: Matthew starrte wütend auf die Statue.
    »Hoppla, junger Mann.« Gallowglass packte Jack am Kragen, als der in den Raum gerannt kam. Aber Jack war ein geborener Dieb, und derlei Verzögerungstaktiken konnten ihn nicht aufhalten, wenn er etwas Wertvolles witterte. Er sank zu Boden, als hätte er keinen einzigen Knochen im Leib, und im nächsten Moment stand Gallowglass mit der leeren Jacke in der Hand da, während Jack dem Hirsch hinterherjagte.
    »Ist das ein Spielzeug? Ist das für mich? Warum hat die Frau nichts an? Friert die denn nicht?« Die Fragen sprudelten nur so aus Jack heraus. Tereza, die es an Sensationslust jederzeit mit den Frauen der Kleinseite aufnehmen konnte, kam angelaufen, um zu sehen, was los war. Sie schnappte nach Luft, als sie die Nackte im Arbeitszimmer ihrer Herrschaft sah, und hielt Jack die Augen zu.
    Gallowglass sah auf die Brüste der Statue. »Stimmt, Jack. Ich würde sagen, sie friert.« Damit handelte er sich eine Kopfnuss von Tereza ein, die mit der anderen Hand immer noch das zappelnde Kind festhielt.
    »Es ist ein Automat, Jack«, sagte Matthew und hob das Ding auf. Dabei sprang der Kopf des Hirsches auf, und ein Hohlraum kam zum Vorschein. »Der Hirsch sollte eigentlich über die Speisetafel des Kaisers laufen. Sobald er anhält, muss der Gast, der dem Hirschen am nächsten sitzt, aus dessen Hals trinken. Willst du Annie nicht zeigen, was er macht?« Er klappte den Kopf wieder zurück und überreichte Gallowglass das unschätzbar teure Objekt. Dann sah er mich ernst an. »Wir müssen uns unterhalten.«
    Wir hörten noch, wie Gallowglass Jack Brezeln und Eislaufen versprach, während er ihn und Tereza aus dem Raum schob.
    »Du bewegst dich auf gefährlichem Terrain, Liebste.« Matthew fuhr sich mit den Händen durchs Haar, was ihn unausweichlich besonders liebenswert wirken ließ. »Ich habe der Kongregation erklärt, dass

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