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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Überraschung, um meine Hand zu ergreifen. »Achtet darauf, wie sich mit jedem Schritt alles verändert. Nur die vulgärsten Objekte sind auf den ersten Blick zu durchschauen, weil sie keine Geheimnisse wahren.«
    Strada sah mich offen feindselig an. Hájek mitleidig. Matthew sah mich überhaupt nicht an, sondern den Kaiser.
    »Wo wir gerade dabei sind, Majestät, dürfte ich einen Blick auf Dees Buch werfen?« Matthew schaute ihn mit Unschuldsmiene an, aber damit konnte er niemanden irreführen. Der Wolf hatte zum Sprung angesetzt.
    »Wer weiß schon, wo es steckt?« Rudolf musste meine Hand loslassen, um mit unentschlossener Geste in Richtung der Räume zu winken, die wir eben durchschritten hatten.
    »Gewiss ist Signor Strada nicht so nachlässig in seinen Pflichten, dass er ein so kostbares Manuskript nicht sofort fände, sobald der Kaiser es benötigt«, wandte Matthew sanft ein.
    »Ottavio ist zurzeit sehr beschäftigt, und zwar mit höchst wichtigen Angelegenheiten!« Rudolf sah Matthew wütend an. »Und ich traue Dr. Dee nicht. Eure Königin sollte sich vor seinen falschen Aussagen hüten.«
    »Aber Ihr traut Kelley. Vielleicht weiß er, wo es sich befindet?«
    Der Kaiser wirkte tatsächlich verlegen. »Ich möchte nicht, dass Edward gestört wird. Er befindet sich in einem kritischen Stadium seiner alchemistischen Versuche.«
    »Prag hat viele Annehmlichkeiten, und Diana wurde beauftragt, für die Gräfin Pembroke diverse alchemistische Glaswaren zu beschaffen. Mit dieser Aufgabe sind wir gewiss beschäftigt, bis Sir Edward wieder Gäste empfangen kann. Vielleicht hat Signor Strada bis dahin auch das vermisste Buch gefunden.«
    »Ist diese Gräfin Pembroke die Schwester des königlichen Günstlings Philip Sidney?« Rudolfs Interesse war geweckt. Doch als Matthew den Mund öffnete, um zu antworten, brachte ihn Rudolf mit erhobener Hand zum Schweigen. »Das ist Dona Dianas Angelegenheit. Wir werden sie antworten lassen.«
    »Das ist sie, Eure Majestät«, antwortete ich auf Spanisch. Mein Akzent war grässlich. Ich hoffte, dass das sein Interesse abschwächen würde.
    »Charmant«, murmelte Rudolf. Verflucht. »Nun, dann muss Dona Diana unbedingt meine Werkstätten besichtigen. Nichts tue ich lieber, als die Wünsche einer Dame zu erfüllen.«
    Es war nicht klar, welche Dame er damit meinte.
    »Und was Kelley und das Buch betrifft, werden wir sehen. Wir werden sehen.« Rudolf wandte sich wieder dem Triptychon zu. » Ich werde sehen, schweigen und lauschen. So lautet das Sprichwort doch, oder?«

28
    H abt Ihr den Werwolf gesehen, Frau Roydon? Er ist der Wildhüter des Kaisers, und meine Nachbarin hat ihn nachts heulen hören. Man sagt, er ernährt sich von den kaiserlichen Hirschen im Hirschgraben.« Frau Huber nahm einen Kohlkopf in die behandschuhten Finger und schnupperte misstrauisch daran. Herr Huber war Kaufmann in London gewesen, und sie sprach, obwohl sie die Stadt nicht mochte, fließend Englisch.
    »Ach was. Es gibt keinen Werwolf.« Signorina Rossi verrenkte sich fast den langen Hals und schüttelte den Kopf über den Preis der Zwiebeln. »Allerdings erzählt mir mein Stefano, dass es in der Burg nur so von Dämonen wimmelt. Die Bischöfe im Dom würden sie gern austreiben, aber der Kaiser verbietet es.« Wie Frau Huber hatte auch Signorina Rossi in London gelebt. Damals war sie die Geliebte eines italienischen Künstlers gewesen, der den Engländern den Manierismus nahebringen wollte. Inzwischen war sie die Geliebte eines anderen italienischen Künstlers, der die Kunst des Glasschneidens nach Prag bringen wollte.
    »Ich habe weder Werwölfe noch Dämonen bemerkt«, gestand ich. Die beiden Frauen sahen mich enttäuscht an. »Dafür habe ich das neueste Gemälde des Kaisers gesehen.« Ich senkte die Stimme. »Es zeigt die Venus. Wie sie dem Bad entsteigt.« Ich sah beide vielsagend an.
    Nachdem ich nicht mit übernatürlichem Klatsch dienen konnte, würden die Perversionen des Kaisers genügen müssen. Frau Huber richtete sich auf.
    »Der Kaiser braucht eine Frau. Eine gute Österreicherin, die ihm etwas kochen kann.« Sie ließ sich dazu herab, dem erleichterten Gemüsehändler, der seit einer knappen halben Stunde ihr Gemäkel an seinen Waren ertragen hatte, einen Kohlkopf abzukaufen. »Erzählt uns noch einmal von seinem Einhorn. Das Horn soll wundersame Heilkräfte haben.«
    Damit musste ich zum vierten Mal innerhalb von zwei Tagen über die vielen Wunder in den kaiserlichen

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