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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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unsere Ehe eine Art Notlüge wäre, um dich davor zu bewahren, als Hexe angeklagt zu werden, und um die Hexenjagden auf Schottland zu beschränken.«
    »Aber unsere Freunde und die anderen Vampire wissen, dass das nicht stimmt«, sagte ich. Den Geruchssinn eines Vampirs konnte man nicht belügen, und Matthews unverkennbarer Geruch bedeckte mich von Kopf bis Fuß. »Und die Hexen wissen, dass unsere Beziehung mehr beinhaltet, als sie selbst mit ihrem dritten Auge erkennen können.«
    »Vielleicht, aber Rudolf ist weder Vampir noch ein Hexer. Seine Kontaktleute in der Kongregation haben ihm bestimmt versichert, dass uns nichts weiter verbindet. Darum hindert ihn nichts daran, dir nachzustellen.« Matthews Finger kamen auf meiner Wange zu liegen. »Ich will dich mit niemandem teilen, Diana. Und wenn Rudolf zu weit gehen sollte …«
    »Würdest du deinen Zorn zügeln.« Ich legte meine Hand auf seine. »Du weißt, dass ich mich von niemandem verführen lasse – nicht einmal vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Wir müssen Ashmole 782 finden. Wen interessiert es da, ob Rudolf auf meine Brüste glotzt?«
    »Glotzen kann er meinetwegen.« Matthew küsste mich. »Noch etwas solltest du wissen, bevor du losziehst, um dem Kaiser für sein Geschenk zu danken. Die Kongregation stillt seit einiger Zeit Rudolfs Appetit auf Frauen und Kuriositäten, weil sie auf seine Kooperation hofft. Wenn der Kaiser dich für sich will und seinen Wunsch den anderen acht Mitgliedern vorträgt, werden sie bestimmt nicht in unserem Sinne entscheiden. Die Kongregation wird dich ihm überlassen, weil sie nicht zulassen kann, dass Prag in die Hände von Männern wie dem Erzbischof von Trier und seinen Jesuitenfreunden fällt. Und man will keinesfalls, dass sich Rudolf zu einem zweiten König James entwickelt und Blut sehen will. Prag mag dir im Moment wie eine Oase für nichtmenschliche Wesen erscheinen. Aber oft stellt sich eine schützende Oase am Ende als Fata Morgana heraus.«
    »Ich verstehe.« Warum musste alles, was mit Matthew zu tun hatte, so vertrackt sein? Unser Leben erinnerte mich an die verknoteten Schnüre in meinem Zauberkästchen. Sooft ich sie auch zu trennen versuchte, sie verhedderten sich sofort wieder.
    Matthew ließ mich los. »Und nimm Gallowglass mit, wenn du in die Burg gehst.«
    »Du kommst nicht mit?« Ich konnte nicht glauben, dass Matthew mich aus den Augen ließ, obwohl er so um mich besorgt war.
    »Nein. Wenn uns Rudolf öfter zusammen sieht, wird das nur seine Phantasie beflügeln und seine Gier zusätzlich anstacheln. Und Gallowglass könnte sich vielleicht in Kelleys Labor einschleichen. Mein Neffe ist wesentlich charmanter als ich.« Matthew grinste, aber sein Blick blieb unverändert düster.
    Gallowglass behauptete, er habe sich schon überlegt, wie wir es anstellen konnten, dass ich nicht unter vier Augen mit Rudolf sprechen musste und stattdessen meine Dankbarkeit in aller Öffentlichkeit kundtun konnte. Doch erst als ich die Glocken drei Uhr schlagen hörte, bekam ich eine erste Ahnung davon, wie sein Plan aussehen könnte. Das Gedränge vor den Spitzbögen über den seitlichen Eingängen in den Veitsdom bestätigte meine Vermutung.
    »Das ist Sigismund«, rief Gallowglass mir ins Ohr. Das Glockenläuten war ohrenbetäubend, und ich konnte ihn kaum verstehen. Als ich ihn verdattert ansah, deutete er nach oben auf ein goldenes Gitter am Kirchturm. »Sigismund. Die große Glocke. Da weiß man immer, dass man in Prag ist.«
    Der Veitsdom mit seinen Strebebögen und nadeldünnen Spitzen war ein gotischer Bau wie aus dem Lehrbuch. Vor allem an einem düsteren Winternachmittag wie diesem. Alle Kerzen im Innenraum waren entzündet worden, doch in dem riesigen Schiff setzten sie nur gelbe Nadelstiche in die Dunkelheit. Draußen war es so dunkel, dass die Glasmalereien an den Fenstern und die bunten Wandfresken die bedrückende Atmosphäre kaum linderten. Gallowglass positionierte uns geschickt unter einer Halterung, in der mehrere Fackeln brannten.
    »Du solltest deinen Tarnzauber vorübergehend abschütteln«, schlug er vor. »Hier drin ist es so dunkel, dass dich Rudolf übersehen könnte.«
    »Willst du etwa, dass ich zu leuchten anfange?« Ich fixierte ihn mit einem tadelnden Lehrerinnenblick. Er grinste nur.
    Inmitten einer bunten Gemeinschaft aus einfachen Palastangestellten, königlichen Würdenträgern und Adligen warteten wir darauf, dass die Messe begann. Einige der Handwerker zeigten immer noch die

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