Wo die Nacht beginnt
alle gespannt, ob Spranger in der Lage ist, so kurzfristig derart grundlegende Änderungen vorzunehmen.« Der Mann verbeugte sich. »Joris Hoefnagel.«
»Der Kalligraph«, erkannte ich. Mir fiel Pierres Bemerkung über die kunstvolle Handschrift auf dem offiziellen Schreiben ein, mit dem Matthew an Rudolfs Hof beordert worden war. Aber dieser Name war mir vertraut …
»Der Künstler«, verbesserte Gallowglass nachsichtig.
» La Diosa .« Ein hagerer Mann zog vor mir mit einer vernarbten Hand den Hut. »Ich bin Erasmus Habermel. Wärt Ihr so gütig, bei nächster Gelegenheit meine Werkstatt zu besuchen? Seine Majestät möchte Euch ein astronomisches Kompendium schenken, damit Ihr die Launen des Mondes verfolgen könnt, aber es muss genau nach Euren Wünschen gefertigt sein.«
Der Name Habermel klang ebenfalls vertraut …
»Morgen kommt sie erst einmal zu mir.« Ein stämmiger Mann in den Dreißigern schob sich durch die dichter werdende Menge. Er sprach mit unüberhörbarem italienischem Akzent. » La Diosa muss mir Modell sitzen. Seine Majestät wünscht, ihr Antlitz in Stein gehauen zu sehen, um sie von der Beständigkeit seiner Gefühle für sie zu überzeugen.« Auf seiner Oberlippe standen Schweißperlen.
»Signor Miseroni!«, mischte sich ein weiterer Italiener ein und presste dabei melodramatisch die Hände auf seinen wogenden Brustkorb. »Ich dachte, wir hätten einander verstanden. La Diosa muss sich im Tanz üben, wenn sie nächste Woche an den Feiern teilnehmen soll, so wie es der Kaiser wünscht.« Er verbeugte sich vor mir. »Ich bin Alfonso Pasetti, La Diosa , der Tanzmeister Seiner Majestät.«
»Aber meine Frau tanzt nicht gern«, mischte sich eine kühle Stimme hinter mir ein. Ein langer Arm reckte sich nach vorn und ergriff meine Hand, die nervös am Saum meines Mieders nestelte. »Nicht wahr, mon cœur ?« Das Kosewort wurde von einem Kuss auf meine Fingerknöchel und einem warnenden, leichten Biss begleitet.
»Wie immer kommt Matthew genau zur rechten Zeit.« Joris lachte herzhaft. »Wie geht es Euch?«
»Ich war enttäuscht, Diana nicht zu Hause vorzufinden«, erklärte Matthew leicht beleidigt. »Aber selbst der ergebenste Ehemann muss in der Zuneigung seiner Gattin hinter Gott zurückstehen.«
Hoefnagel sah Matthew so eindringlich an, dass man meinen konnte, er studiere ihn geradezu. Plötzlich begriff ich, wer da vor mir stand: jener große Künstler, der die Natur so genau beobachtete, dass seine Illustrationen von Flora und Fauna wirkten, als könnten sie wie die Geschöpfe auf Marys Schuhen zum Leben erwachen.
»Nun, Gott hat sie lange genug für sich gehabt. Ich glaube, Ihr könnt Euer Weib nach Hause führen«, sagte Hoefnagel milde. »Ihr versprecht, einen andernfalls recht langweiligen Frühling mit Leben zu erfüllen, La Diosa . Dafür sind wir Euch alle dankbar.«
Die Männer ließen sich von Gallowglass zusichern, dass er meine diversen, einander überschneidenden Termine ordnen werde, und verschwanden dann nacheinander. Hoefnagel blieb als Letzter zurück.
»Ich werde Eure Frau im Auge behalten, Schaduw. Vielleicht solltet Ihr das auch tun.«
»Mein Auge ruht stets auf meiner Gemahlin, so wie es sein soll. Woher hätte ich sonst gewusst, dass ich hierherkommen muss?«
»Natürlich. Verzeiht die Einmischung. Der Wald hat Ohren, und die Felder haben Augen.« Hoefnagel verbeugte sich. »Ich sehe Euch am Hof, La Diosa .«
»Sie heißt Diana«, verbesserte Matthew ihn knapp. »Oder Madame de Clermont, wenn Ihr wollt.«
»Und mir wurde zugetragen, sie hieße Roydon. Verzeiht meinen Irrtum.« Hoefnagel trat ein paar Schritte zurück. »Guten Abend, Matthew.« Seine Schritte hallten auf dem Steinboden wider und verklangen schließlich.
» Schaduw?« , fragte ich. »Heißt das das, wonach es klingt?«
»Das ist Holländisch für Schatten. Elisabeth ist nicht die Einzige, die mich so nennt.« Matthew sah Gallowglass an. »Was sind das für Feiern, von denen Signor Pasetti sprach?«
»Ach, nichts Ungewöhnliches. Bestimmt geht es dabei um ein mythologisches Thema, dazu gibt es grässliche Musik und noch grässlichere Tänze. Und nachdem alle zu viel getrunken haben, werden die Höflinge wie üblich in den falschen Schlafkammern landen. Neun Monate später feiern wir dann die Geburt einer Schar adliger Nachfahren von ungewisser Abstammung. Wie üblich.«
» Sic transit gloria mundi« , murmelte Matthew. Er verbeugte sich vor mir. »Sollen wir heimgehen, La Diosa ?« Wenn
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