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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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uns die Wachleute in einem gemütlichen Salon mit schweren Sesseln und einem Wärme spendenden Kachelofen zurück, wo zwei Männer in ein Gespräch vertieft waren. Sie drehten sich zu uns um.
    »Guten Tag, alter Freund«, begrüßte uns ein gütig aussehender Mann von etwa sechzig Jahren auf Englisch. Er strahlte Matthew an.
    »Tadéaš!« Matthew nahm seinen Arm. »Ihr seht gut aus.«
    »Und Ihr seht jung aus.« Die Augen des Mannes funkelten. Sein Blick löste keine Reaktion bei mir aus. »Und hier ist die Frau, über die jeder spricht. Ich bin Tadéaš Hájek.« Der Mensch verbeugte sich, und ich antwortete mit einem Knicks.
    Ein schlanker Edelmann mit olivbrauner Haut und Haaren, die fast so schwarz waren wie die von Matthew, kam zu uns geschlendert. »Master Strada«, begrüßte Matthew ihn mit einer Verbeugung. Diesen Mann sah er eindeutig weniger gern als den ersten.
    »Ist sie wirklich eine Hexe?« Strada musterte mich neugierig. »Wenn ja, dann würde meine Schwester Katharina sie gern kennenlernen. Sie bekommt ein Kind, und die Schwangerschaft setzt ihr zu.«
    »Bestimmt wäre Tadéaš als Leibarzt des Kaisers besser geeignet, die Geburt eines kaiserlichen Nachkommen zu überwachen«, sagte Matthew, »oder steht Eure Schwester nicht mehr in der Gunst Seiner Majestät?«
    »Der Kaiser schätzt meine Schwester immer noch«, erwiderte Strada frostig. »Schon allein aus diesem Grund sollte man ihren Wünschen Folge leisten.«
    »Habt Ihr Joris gesehen? Seit Seine Majestät Euer Altarbild ausgepackt hat, spricht er über nichts anderes«, fragte Tadéaš und wechselte damit das Thema.
    »Noch nicht, nein.« Matthews Blick ging zur Tür. »Ist der Kaiser da?«
    »Ja. Er begutachtet eben ein neues Gemälde von Meister Spranger. Es ist sehr groß und … ähm, detailgetreu.«
    »Das nächste Venusbild«, kommentierte Strada schniefend.
    »Und die Venus sieht Eurer Schwester ausgesprochen ähnlich.« Hájek lächelte.
    »Ist das Matthäus, den ich da höre?«, war eine näselnde Stimme vom anderen Ende des Raumes zu vernehmen. Alle drehten sich um und sanken in eine tiefe Verbeugung. Ich knickste automatisch. Es würde nicht leicht werden, der Unterhaltung zu folgen. Ich hatte erwartet, dass Rudolf Latein und nicht Deutsch sprechen würde. »Und wie man mir zugetragen hat, bringt er das Buch und die Hexe. Und den norwegischen Wolf.«
    Rudolf war ein kleiner Mann mit ungewöhnlich langem Kinn und ausgeprägtem Unterbiss. Die vollen, fleischigen Habsburgerlippen betonten zusätzlich die nach vorn drängende untere Gesichtshälfte, obwohl das halbwegs durch die wässrigen, vorquellenden Augen und die flache Nase ausgeglichen wurde. Viele Jahre mit gutem Essen und exzellenten Getränken hatten ihm einen Fassbauch beschert, doch die Beine waren dünn und staksig geblieben. Er kam in hochhackigen roten Schuhen mit goldenem Stempelmuster auf uns zugestöckelt.
    »Ich habe meine Gemahlin mitgebracht, Eure Majestät, so wie Ihr befohlen habt«, antwortete Matthew und betonte dabei unauffällig das Wort »Gemahlin«. Gallowglass übersetzte Matthews Erwiderung, als würde mein Mann kein Deutsch sprechen – was er aber tat, wie ich nach der Schlittenreise von Hamburg über Wittenberg nach Prag wusste.
    » Y su talento para los juegos también«, ergänzte Rudolf und wechselte dabei mühelos ins Spanische, als könnte er Matthew auf diese Weise überzeugen, sich direkt mit ihm zu unterhalten. Er studierte mich nachdenklich und tastete so ausgiebig mit seinem Blick die Kurven meines Körpers ab, dass ich augenblicklich duschen wollte. »Es una lástima que se casó en absoluto, pero aún mas lamentable que ella está casada con usted.«
    »Wirklich sehr bedauerlich«, antwortete Matthew eigensinnig auf Englisch. »Aber ich versichere Euch, dass wir tatsächlich verheiratet sind. Mein Vater bestand auf einer Vermählung. Genau wie meine Gemahlin.« Auf diese Bemerkung hin musterte Rudolf mich noch interessierter.
    Gallowglass erbarmte sich meiner und ließ das Buch auf den Tisch plumpsen. »Das Buch.«
    Das lenkte sie ab. Strada wickelte es aus, während Hájek und Rudolf darüber spekulierten, wie wunderbar sich diese Ergänzung zur kaiserlichen Bibliothek machen würde. Doch als es endlich enthüllt war, lag auf einmal säuerliche Enttäuschung in der Luft.
    »Was für ein Witz soll das sein?«, bellte Rudolf.
    »Ich weiß nicht recht, ob ich verstehe, was Eure Majestät meinen«, erwiderte Matthew. Er wartete ab, bis

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