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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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zuweisen, wo Edward doch dort arbeitet, aber hier kommen wir auch zurecht.« Auf der Wendeltreppe war ein regelmäßiges, schweres Rumpeln zu hören. »Da kommt Edward schon.«
    Zuerst erschien ein Stock, danach eine fleckige Hand, gefolgt von einem nicht weniger fleckigen Ärmel. Auch der Rest sah wenig erhaben aus. Edward Kelleys langer, ungekämmter Bart ragte unten aus einer dunklen Haube heraus, die sich eng um seinen Schädel schmiegte und die Ohren bedeckte. Falls er darüber einen Hut getragen hatte, hatte er ihn bereits abgesetzt. Seinen Falstaff-Maßen nach zu schließen war er ein guter Esser. Pfeifend kam Kelley in den Raum gehumpelt und erstarrte, als er Matthew sah.
    »Edward.« Matthew blendete den Mann mit einem strahlenden Lächeln, aber Kelley schien sich weit weniger über den Besuch zu freuen als seine Frau. »Dass wir uns so weit von daheim wiedersehen.«
    »Wie habt Ihr …?«, setzte Edward heiser an. Er sah sich um, und seine Augen richteten sich mit leisem Druck auf mich. Noch nie hatte ich einen so heimtückischen Dämonenblick gespürt. Aber das war nicht alles: Die Stränge, die ihn umgaben, wirkten irgendwie unausgeglichen, die Unregelmäßigkeiten im Gewebe ließen darauf schließen, dass er nicht nur ein Dämon war – sondern auch instabil. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Die Hexe.«
    »Der Kaiser hat sie im Rang erhoben, genau wie Euch. Sie ist jetzt La Diosa – die Göttin«, erklärte ihm Matthew. »Setzt Euch doch, und ruht Euer Bein aus. Wenn ich mich recht entsinne, macht es Euch bei Kälte immer zu schaffen.«
    »Was wollt Ihr von mir, Roydon?« Edward Kelley fasste seinen Spazierstock fester.
    »Er ist auf Geheiß der Königin hier, Edward. Ich lag gerade im Bett«, beschwerte sich Joanna weinerlich. »Ich komme kaum je zur Ruhe. Und dieser grässliche Schnupfen verhindert, dass ich unsere Nachbarn kennenlerne. Du hast mir gar nicht erzählt, dass gleich um die Ecke Engländer wohnen. Ich kann Mistress Roydons Haus von unserem Turmfenster aus sehen. Du bist ja immer in der Burg, und ich sitze allein hier, da wünsche ich mir jemanden, mit dem ich in meiner Muttersprache reden kann, und dabei …«
    »Geh wieder ins Bett, Liebes«, unterbrach Kelley seine Frau gefühllos. »Und nimm deinen Wein mit.«
    Mrs Kelley zog gehorsam, wenn auch schniefend und mit Leidensmiene, ab. Sobald sie verschwunden war, humpelte Kelley an den Tisch und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem eben noch seine Frau gesessen hatte. Mit schmerzvoll verzogenem Gesicht hob er sein krankes Bein neben das andere. Dann fixierte er Matthew mit düsterem, feindseligem Blick.
    »Sagt mir, was ich tun muss, um Euch loszuwerden«, erklärte er ohne weitere Umschweife. Kelley war vielleicht genauso gerissen wie Kit, aber ihm fehlte dessen Charme.
    »Die Königin will Euch«, erwiderte Matthew ebenso unverblümt. »Und wir wollen Dees Buch.«
    »Welches Buch?« Edward reagierte schnell – zu schnell.
    »Für einen Scharlatan seid Ihr ein erbärmlicher Lügner, Kelley. Wie gelingt es Euch nur, so viele Menschen an der Nase herumzufüren?« Matthew schwang die Beine hoch und ließ die schweren Stiefel auf den Tisch knallen. Kelley verzog das Gesicht, als die Absätze aufschlugen.
    »Falls Dr. Dee behauptet, ich hätte gestohlen«, plusterte Kelley sich auf, »dann muss ich darauf bestehen, dass wir die Angelegenheit vor dem Kaiser klären. Er würde nicht zulassen, dass ich so behandelt werde und dass meine Ehre in meinem eigenen Heim besudelt wird.«
    »Wo ist es, Kelley? In Eurem Labor? In Rudolfs Schlafgemach? Ich werde es auch ohne Eure Hilfe finden. Aber wenn Ihr es mir aushändigt, wäre ich vielleicht geneigt, die andere Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen.« Matthew zupfte an einem Fleck auf seiner Hose herum. »Der Kongregation missfällt Euer Verhalten in letzter Zeit.« Kelleys Stock fiel klappernd zu Boden. Matthew hob ihn hilfsbereit wieder auf. Dann tippte er mit der abgewetzten Spitze gegen Kelleys Hals. »Habt Ihr den Zapfer in der Schenke auch dort am Hals berührt, als Ihr ihm mit dem Tode drohtet? Das war unvorsichtig, Edward. Pomp und Privilegien sind Euch zu Kopf gestiegen.« Die Spitze senkte sich auf Kelleys mächtigen Wanst und kam dort zu liegen.
    »Ich kann Euch nicht helfen.« Kelley verzog das Gesicht, als Matthew fester zudrückte. »Es ist die Wahrheit! Der Kaiser hat mir das Buch abgenommen, nachdem …« Kelley verstummte und rieb sich mit der Hand über das

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