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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Einkaufen. Draußen war es eisig, und es wehte ein wütender Wind, aber wir stapften nichtsdestotrotz zum Markt.
    »Kennt Ihr meine Landsmännin Mistress Kelley?«, fragte ich Frau Huber, während wir darauf warteten, dass der Bäcker unsere Einkäufe verpackte. »Ihr Mann dient dem Kaiser.«
    »Er ist einer von Rudolfs eingesperrten Alchemisten, meint Ihr«, schnaubte Frau Huber. »In diesem Haus passieren die merkwürdigsten Dinge. Am schlimmsten war es, als die Dees hier waren. Herr Kelley warf Frau Dee immer anzügliche Blicke zu.«
    »Und Mistress Kelley?«, hakte ich nach.
    »Die geht kaum vor die Tür. Ihr Koch kauft für sie ein.« Frau Huber hielt nichts davon, wenn eine Hausfrau ihre Verantwortung abschob. Damit öffnete sie allen möglichen Unsitten Tür und Tor wie dem Wiedertäufertum (so behauptete Frau Huber) und einem florierenden Schwarzhandel mit unterschlagenen Küchenvorräten. Sie hatte ihre Ansichten gleich bei unserer ersten Begegnung kundgetan, und so ging ich auch ihretwegen bei jedem Wetter vor die Tür, um Kohl zu kaufen.
    »Sprechen wir über die Frau des Alchemisten?«, mischte sich Signorina Rossi ein, die eben über die gefrorenen Pflastersteine angetippelt kam und dabei um ein Haar von einer Schubkarre voller Kohlen gerammt worden wäre. »Natürlich ist sie höchst eigenartig, schließlich ist sie Engländerin. Und ihre Weinrechnungen sind höher, als sie sein sollten.«
    »Woher wisst Ihr das alles?«, fragte ich, als ich fertig gelacht hatte.
    »Wir beschäftigen dieselbe Wäscherin«, antwortete Frau Huber überrascht.
    »Keine von uns hat Geheimnisse vor ihrer Wäscherin«, stimmte ihr Signorina Rossi zu. »Sie hat auch für die Dees gewaschen. Bis Signora Dee sie hinauswarf, weil sie so viel für das Waschen der Servietten berechnet hatte.«
    »Eine schwierige Frau, diese Jane Dee, aber ihr Geld hat sie mit eiserner Hand zusammengehalten«, gab Frau Huber seufzend zu.
    »Warum wollt Ihr Mistress Kelley sehen?«, wollte Signorina Rossi wissen und stopfte einen Brotzopf in ihren Einkaufskorb.
    »Eigentlich würde ich gern ihren Mann kennenlernen. Ich interessiere mich für Alchemie und habe ein paar Fragen an ihn.«
    »Werdet Ihr bezahlen?« Frau Huber rieb in einer universellen und offenbar zeitlosen Geste die Fingerspitzen aneinander.
    »Wofür?«, fragte ich verwirrt.
    »Für seine Antworten natürlich.«
    »Ja.« Ich fragte mich, was für eine List sie wohl ersann.
    »Dann überlasst das nur mir«, versprach mir Frau Huber. »Ich esse so gern Schnitzel, und der Österreicher, dem die Schenke neben Eurem Haus gehört, weiß genau, wie ein Schnitzel zu sein hat, Frau Roydon.«
    Wie sich herausstellte, wurde die halbwüchsige Tochter des österreichischen Schnitzelhexers von demselben Privatlehrer unterrichtet wie Kelleys zehnjährige Stieftochter. Und sein Koch war mit der Tante der Wäscherin verheiratet, deren Schwägerin wiederum bei den Kelleys aushalf.
    Dieser gewundenen, von Frauen geschmiedeten Beziehungskette und nicht Gallowglass’ Verbindungen zum Hof hatten wir es zu verdanken, dass Matthew und ich schließlich um Mitternacht im Obergeschoss des Kelleyschen Wohnhauses saßen und im Salon auf das Eintreffen des großen Wissenschaftlers warteten.
    »Er müsste jeden Augenblick hier sein«, versicherte uns Joanna Kelley. Ihre Augen waren gerötet und trübe, wobei nicht festzustellen war, ob das an dem vielen Wein oder an der Erkältung lag, die offenbar das ganze Haus befallen hatte.
    »Macht Euch unseretwegen keine Gedanken, Mistress Kelley. Wir sind immer lange auf«, antwortete Matthew glattzüngig und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Und wie gefällt Euch Euer neues Haus?«
    Wir hatten die österreichische und italienische Gemeinschaft lange und intensiv ausgehorcht und dabei erfahren, dass die Kelleys das Haus um die Ecke von den Drei Raben erst kürzlich erstanden hatten. Die Häusergruppe war für ihr einfallsreiches Straßenschild berühmt. Jemand hatte ein paar übrig gebliebene Holzfiguren aus einer Krippenszene genommen, sie in der Mitte auseinandergesägt und anschließend auf ein Brett genagelt. Dabei hatte man den kleinen Jesus aus der Krippe geholt und stattdessen den Kopf von Marias Esel hineingelegt.
    »Der Esel und die Wiege genügen fürs Erste unseren Bedürfnissen, Master Roydon.« Mistress Kelley nieste ehrfurchtgebietend und nahm sofort einen tiefen Schluck Wein. »Wir dachten anfangs, der Kaiser würde uns eine Wohnung in der Burg

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