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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Streitwagen und ging rückwärts durch die Vorhänge ab, während die Hofdamen den Abschlussreigen aufführten. Als sie fertig waren, begann der Hof unter Rudolfs Führung so laut zu trampeln und zu klatschen, dass ich schon das Dach einstürzen sah. Nur Endymion schnarchte friedlich weiter.
    »Steh auf!«, zischte ich ihm zu, als ich an ihm vorbeiging, um dem Kaiser dafür zu danken, dass er uns diese Gelegenheit gegeben hatte, Seine Majestät zu unterhalten. Als Reaktion bekam ich nur ein Theaterschnarchen zu hören.
    Und so knickste ich allein vor Rudolf und pries anschließend in einer kurzen Ansprache Meister Habermels Astrolabium, Meister Hoefnagels Bühnenbild und Bühneneffekte und die Qualität der Musik.
    »Ich habe mich königlich amüsiert, La Diosa – viel mehr, als ich erwartet hätte. Ihr dürft von Zeus eine Belohnung erbitten«, sagte Rudolf, und sein Blick glitt dabei über meine Schulter abwärts auf meinen Busen. »Was Ihr auch wünscht. Ihr braucht es nur zu sagen, und es soll Euer werden.«
    Das fröhliche Geplauder im Saal verstummte. In der Stille hörte ich wieder Abrahams Worte: Das Buch wird zu Euch kommen, wenn Ihr nur darum bittet. Konnte es tatsächlich so einfach sein?
    Endymion räkelte sich in seinem Daunenbett. Dass er sich einmischte, hätte mir gerade noch gefehlt, und so winkte ich ihm hinter meinem Rücken zu, wieder ins Reich der Träume zurückzukehren. Der gesamte Hofstaat hielt den Atem an und wartete ab, ob ich einen hohen Adelstitel, ein Stück Land oder ein Vermögen in Gold fordern würde.
    »Ich würde gern Roger Bacons alchemistisches Buch sehen, Eure Majestät.«
    »Du hast wirklich Eier aus Stahl, Tantchen«, sagte Gallowglass halblaut auf dem Heimweg. »Und du verstehst mit Worten umzugehen.«
    »Vielen Dank«, antwortete ich geschmeichelt. »Ach ja, was spielte sich während der Aufführung eigentlich auf meinem Kopf ab? Alle haben mich angestarrt.«
    »Winzige Sterne sprühten aus dem Mond und erloschen dann. Ich würde mir deswegen keine Sorgen machen. Es sah so echt aus, dass alle annehmen werden, sie hätten sich das nur eingebildet. Schließlich sind Rudolfs Adlige größtenteils Menschen.«
    Matthew reagierte vorsichtiger. »Freu dich nicht zu früh, mon cœur . In dieser Situation blieb Rudolf vielleicht nichts anderes übrig, als dir deinen Wunsch zu gewähren, aber noch hast du das Manuskript nicht gesehen. Du wagst da ein äußerst kompliziertes Tänzchen. Und du kannst sicher sein, dass der Kaiser im Gegenzug etwas von dir haben will.«
    »Bevor er das einfordern kann, sind wir längst verschwunden«, sagte ich.
    Wie sich herausstellte, war Matthew zu Recht argwöhnisch. Ich hatte angenommen, dass er und ich gleich am nächsten Tag eingeladen würden, ungestört einen Blick auf Rudolfs Schatz zu werfen. Doch die Einladung blieb aus. Tage verstrichen, bis wir endlich eine formelle Aufforderung erhielten, zusammen mit einigen aufstrebenden katholischen Theologen im Palast zu dinieren. Danach, so wurde in der Einladung versprochen, werde eine ausgewählte Gruppe eingeladen, in Rudolfs Privatgemächern aus dessen Sammlung einige Stücke von besonderer mystischer und religiöser Bedeutung in Augenschein zu nehmen. Unter den Besuchern war auch ein gewisser Johannes Pistorius, der als Lutheraner groß geworden, dann zum Kalvinismus konvertiert war und sich demnächst zum katholischen Priester weihen lassen würde.
    »Er hat uns reingelegt«, stellte Matthew fest und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Pistorius ist gefährlich, er ist ein gnadenloser Gegner und ein Hexer. In zehn Jahren wird er als Rudolfs Beichtvater an den Hof zurückkehren.«
    »Stimmt es, dass er für die Kongregation ausgewählt wurde?«, fragte Gallowglass.
    »Ja. Er ist genau die Art von intellektuellem Erzschurken, von der sich die Hexen vertreten lassen wollen. Nimm das nicht persönlich, Diana, die Hexen haben es in dieser Zeit nicht leicht«, schränkte er ein.
    »Tue ich nicht«, antwortete ich gleichmütig. »Aber noch sitzt er nicht in der Kongregation. Wie stehen die Chancen, dass er sich mit dir anlegen will, wenn er tatsächlich nach Höherem strebt?«
    »Natürlich will er sich mit mir anlegen – sonst hätte Rudolf ihn nicht eingeladen, mit uns zu speisen. Der Kaiser stellt die Schlachtordnung auf und sammelt seine Truppen.«
    »Und worum genau geht es in diesem Kampf?«
    »Um das Manuskript – und um dich. Er will keines von beiden aufgeben.«
    »Ich habe dir schon

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