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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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flüsternd unterhielt. Hájek ließ sich gerade den dritten Teller mit Wildbret schmecken und musste kurz husten, um das eben verschluckte Stück Rehfleisch zu lösen, bevor er sich ins Gespräch mischte.
    »Ich glaube, es war die Arznei, Dr. Pistorius«, sagte Hájek. »Ich bereitete sie in einer Schale zu, die aus dem Horn eines Einhorns geschnitzt worden war. Der Kaiser war der Meinung, das würde die Wirksamkeit steigern.«
    »Und La Diosa nahm die Medizin mit einem Hornlöffel ein«, ergänzte Rudolf, den Blick fest auf meine Lippen gerichtet, »um die Wirksamkeit zusätzlich zu steigern.«
    »Befinden sich die Schale und der Löffel auch unter den Stücken, die wir heute Abend in Eurem Kabinett zu sehen bekommen, Eure Majestät?«, fragte Pistorius. Plötzlich begann die Luft zwischen mir und dem Hexer zu knistern. Rund um das Gesicht des Arzt-Priesters explodierten Stränge in grellem Rot und Orange, als wollten sie mich warnen. Dann lächelte er. Ich traue dir nicht, Hexe , flüsterte er in meinem Geist. Genauso wenig wie dein Möchtegernliebhaber Kaiser Rudolf dir traut.
    Der wilde Eber, an dem ich gerade kaute – ein köstliches Gericht mit Rosmarin und schwarzem Pfeffer, das, so hatte mir der Kaiser versichert, mein Blut in Wallung bringen würde – schmeckte schlagartig wie Asche. Statt des gewünschten Effekts gefror mir das Blut in den Adern.
    »Ist etwas?«, murmelte Gallowglass, halb über meine Schulter gebeugt. Er reichte mir einen Schal, um den ich nicht gebeten und den ich zuvor nicht an ihm gesehen hatte.
    »Pistorius kommt mit nach oben, um das Buch anzusehen«, sagte ich, halb ihm zugewandt, in undeutlichem Englisch, um möglichst nicht verstanden zu werden. Gallowglass roch nach Meersalz und Minze, einer erfrischenden Kombination, die mir wieder Sicherheit gab. Meine Nerven beruhigten sich.
    »Überlass das mir«, erwiderte er und drückte kurz meine Schulter. »Übrigens schimmerst du ein bisschen, Tantchen. Es wäre besser, wenn du heute Abend keine Sterne sprühen würdest.«
    Nachdem Pistorius seinen Warnschuss abgegeben hatte, lenkte er die Unterhaltung auf andere Themen und verwickelte Dr. Hájek in ein lebhaftes Streitgespräch über den medizinischen Nutzen des Theriak. Rudolf vertrieb sich die Zeit, indem er abwechselnd mir verliebte und Matthew vernichtende Blicke zuwarf. Je näher die Besichtigung rückte, desto weniger Appetit hatte ich, darum unterhielt ich mich unverbindlich mit der Adligen neben mir. Erst nach fünf weiteren Gängen – darunter eine Parade vergoldeter Pfauen und ein Tableau aus einer Sau am Spieß, die von kleinen Spanferkeln umgeben war – ging das Bankett schließlich zu Ende.
    »Du siehst blass aus«, sagte Matthew, als er mich vom Tisch wegführte.
    »Pistorius verdächtigt mich.« Der Mann erinnerte mich an Peter Knox und an Champier. »Intellektueller Erzschurke« war eine perfekte Beschreibung für alle drei. »Gallowglass sagte, er werde sich um ihn kümmern.«
    »Dann wundert es mich nicht, dass Pierre ihm sofort gefolgt ist.«
    »Was will Pierre machen?«
    »Sichergehen, dass Pistorius lebend die Burg verlässt«, erklärte Matthew fröhlich. »Andernfalls würde Gallowglass dem Kerl das Genick brechen und ihn dann den Löwen im Hirschgraben zum Fraß vorwerfen. Mein Neffe hat einen beinahe so starken Beschützerinstinkt wie ich.«
    Rudolfs ausgewählte Gäste begleiteten ihn in sein Allerheiligstes: die Privatgalerie, in der Matthew und ich das Altargemälde von Bosch betrachtet hatten. Dort erwartete uns bereits Ottavio Strada, der uns durch die Sammlung führen und unsere Fragen beantworten würde.
    Als wir den Raum betraten, stand Matthews Triptychon immer noch auf dem mit grünem Filz bezogenen Tisch. Rundherum hatte Rudolf weitere Objekte ausgelegt, die wir bewundern konnten. Während die Gäste Boschs Werk mit ehrfürchtigem Oh und Ah lobten, tastete mein Blick den Raum ab. Ich sah einige atemberaubende Schalen aus Halbedelsteinen, eine emaillierte Amtskette, ein langes Horn, das angeblich von einem Einhorn stammte, ein paar Statuetten und eine mit Schnitzereien versehene Seychellennuss – es war alles in allem eine nette Mischung aus Kostbarem, Medizinischem und Exotischem. Nur ein alchemistisches Manuskript war nirgendwo zu sehen.
    »Wo ist es?«, zischte ich Matthew zu. Bevor er antworten konnte, legte sich eine warme Hand auf meinen Arm. Matthew erstarrte.
    »Ich habe ein Geschenk für Euch, querida diosa.« Rudolfs Atem roch nach

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