Wo die Nacht beginnt
erklärt, dass ich nicht zum Verkauf stehe. Und ich bin auch keine Kriegsbeute.«
»Nein, in Rudolfs Augen bist du herrenloses Territorium. Rudolf ist österreichischer Erzherzog, er ist König von Ungarn, Kroatien und Böhmen, Markgraf von Mähren und Heiliger Römischer Kaiser. Und er ist der Neffe von Philip von Spanien. Die Habsburger sind eine besitzergreifende und ehrgeizige Familie und schrecken vor nichts zurück, wenn sie etwas haben wollen.«
»Matthew ist nur ehrlich zu dir, Tantchen«, mischte sich Gallowglass düster ein, als ich protestieren wollte. »Wäre ich mit dir verheiratet, hättest du Prag verlassen, sobald das erste Geschenk eintraf.«
Weil die Situation so delikat war, begleiteten Pierre und Gallowglass uns zur Burg. Drei Vampire und eine Hexe erregten natürlich Aufmerksamkeit, als wir in den Großen Saal traten, den Matthew vor langer Zeit mit entworfen hatte.
Rudolf wies mir einen Platz an seiner Seite zu, und Gallowglass bezog wie ein Diener hinter meinem Stuhl Position. Matthew wurde ans andere Ende der Tafel verbannt, wo ihm Pierre aufmerksam Gesellschaft leistete. Für einen ahnungslosen Beobachter sah es ganz so aus, als würde Matthew sich köstlich amüsieren inmitten der ausgelassenen Gruppe von Damen und jungen Adligen, die sich nach einem schneidigeren Vorbild als dem Kaiser sehnten. Immer wieder brandete lautes Gelächter von Matthews rivalisierendem Hofstaat an unser Tischende, was die Laune Seiner griesgrämigen Hoheit nicht eben beförderte.
»Aber warum braucht es dieses Blutvergießen, Vater Johannes?«, beklagte sich Rudolf bei dem dicken Arzt mittleren Alters zu seiner Linken. Pistorius würde erst in einigen Monaten geweiht, aber mit dem typischen Eifer eines Konvertiten beschwerte er sich nicht, als Rudolf ihn verfrüht in den Priesterstand erhob.
»Weil Häresie und Unglauben mit der Wurzel ausgerissen werden müssen, Eure Majestät. Sonst finden sie bald frischen Boden, in dem sie wuchern können.« Pistorius’ schwerlidrige Augen richteten sich mit bohrendem Blick auf mich. Mein Hexenauge öffnete sich entrüstet angesichts seiner unverschämten Versuche, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die fatal an Champiers Methode, mir meine Geheimnisse zu entlocken, erinnerte. Allmählich entwickelte ich eine tiefe Abneigung gegen Hexer mit Universitätsabschluss. Ich legte das Messer hin und starrte zurück. Er wandte zuerst den Blick ab.
»Mein Vater glaubte, es sei klüger, Toleranz walten zu lassen«, widersprach Rudolf. »Und Ihr selbst habt die jüdische Weisheit der Kabbala studiert. Es gibt Männer Gottes, die das als Häresie bezeichnen würden.«
Matthews scharfes Gehör erlaubte es ihm, unser Gespräch so unerbittlich zu verfolgen, wie Šárka ihre Beute verfolgt hatte. Er zog die Stirn in Falten.
»Mein Gemahl hat mir berichtet, Ihr seid Arzt, Herr Pistorius.« Es war ein ziemlich abrupter Themenwechsel, aber er zeigte das gewünschte Ergebnis.
»Das bin ich, Frau Roydon. Oder vielmehr war ich es, bis es mir nicht mehr genügte, Körper zu erhalten, viel lieber will ich Seelen zur Erlösung führen.«
»Vater Johannes’ Ruf beruht auf seinen Heilmitteln gegen die Pest«, erläuterte Rudolf.
»Ich bin nur ein Gefäß für den Willen Gottes. Er ist der einzige wahre Heiler«, wehrte Pistorius ab. »Aus Liebe zu uns. Er gab uns viele natürliche Heilmittel, die in unseren unvollkommenen Leibern Wundersames bewirken können.«
»Ach ja. Ich entsinne mich, dass Ihr Bezoarsteine als Mittel gegen alle möglichen Krankheiten empfahlt. Ich schickte La Diosa einen meiner Steine, als sie neulich krank war.« Rudolf lächelte ihn wohlwollend an.
Pistorius sah mich aufmerksam an. »Offenbar hat die Kur gewirkt, Eure Majestät.«
»O ja. La Diosa hat sich vollkommen erholt. Sie sieht sehr gut aus.« Rudolfs Unterlippe schob sich noch weiter vor, während er mich begutachtete. Ich trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit weißen Stickereien und darüber eine schwarze Samtrobe. Eine schmale Halskrause schirmte mein Gesicht ab, und in der Mulde unter meinem Hals lag der rote Rubin aus Matthews Salamandergeschmeide, der einzige Farbklecks in meinem ansonsten düsteren Gewand. Rudolfs Blick blieb auf dem wunderschönen Stein liegen. Er runzelte die Stirn und winkte einem Diener.
»Ich könnte nicht sagen, ob der Bezoarstein oder die Arznei Eurer Majestät bessere Dienste geleistet haben«, sagte ich und sah hilfesuchend auf Dr. Hájek, während Rudolf sich
Weitere Kostenlose Bücher