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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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angesprochen, dem ich mich keinesfalls stellen wollte: Für diese Mächte hatten Hexen tatsächlich getötet. Sie hatten meinen Vater umgebracht und meine Mutter auch.
    »Du wirst weder mir noch deiner Mutter unser Schicksal ersparen, indem du deine Magie in ein kleines Kästchen sperrst und deine Hexereien unterdrückst«, fuhr mein Vater traurig fort.
    »Darum geht es mir gar nicht.«
    »Wirklich?« Er zog die Brauen hoch. »Willst du das allen Ernstes behaupten, Diana?«
    »Sarah meint, dass elementare Magie und Hexerei nicht zusammenpassen. Sie sagt …«
    »Vergiss doch, was Sarah sagt!« Mein Vater packte mich an den Schultern. »Du bist nicht Sarah. Du bist anders als jede Hexe, die je gelebt hat. Und du brauchst nicht zwischen Zauberformeln und den Mächten zu wählen, die du in Händen hältst. Wir sind Weber, oder etwa nicht?«
    Ich nickte.
    »Dann stell dir die elementare Magie als Grundfäden vor – das feste Gerüst, auf dem die Welt aufgebaut ist – und die Zauberformeln als Muster. Nur zusammen ergeben sie einen Teppich. Alles bildet ein einziges großes System, Süße. Und du kannst es beherrschen, wenn du erst deine Ängste überwunden hast.«
    Überall um mich herum erkannte ich in einem Gewebe aus Farben und Schattierungen die unterschiedlichsten Möglichkeiten, doch die Angst wollte sich nicht lösen.
    »Warte. Ich habe eine Verbindung zum Feuer, genau wie Mom. Wir wissen nicht, wie Wasser und Feuer reagieren. Das habe ich noch nicht gelernt.« Weil ich in Prag war, dachte ich. Weil ich mich von der Suche nach Ashmole 782 ablenken ließ und vergaß, mich auf die Zukunft und unsere Rückkehr dorthin zu konzentrieren.
    »Du bist also Links- und Rechtshänder gleichzeitig – die Hexen-geheimwaffe.« Er lachte. Er lachte.
    »Das ist kein Spaß, Dad.«
    »Es könnte aber einer sein.« Mein Vater ließ das kurz nachhallen, schnippte dann mit den Fingern und hielt im selben Moment das Ende eines einzelnen grauen Stranges fest.
    »Was tust du da?«, fragte ich misstrauisch.
    »Schau zu«, sagte er mit einem Raunen wie Brandung am Strand. Er hob die Finger und schürzte die Lippen, als hielte er eine unsichtbare Seifenblasenschlinge vor seinen Mund. Dann begann er zu pusten, und eine Wasserkugel bildete sich in der Luft. Er zielte mit den Fingern auf den Wassereimer am Herd, und der Ball verwandelte sich in Eis, schwebte hinüber und platschte ins Wasser. »Genau ins Schwarze.«
    Elizabeth kicherte und ließ eine Reihe kleiner Wasserblasen aufsteigen, die in der Luft zerplatzten und uns nassspritzten.
    »Du hast Angst vor dem Unbekannten, Diana, dabei muss man sich manchmal einfach darauf einlassen. Als ich dich das erste Mal aufs Dreirad setzte, hast du dich fast zu Tode gefürchtet. Und als du deine Bauklötze nicht in die Kiste bekommen hast, hast du sie gegen die Wand geworfen. Wir haben alle diese Krisen gemeistert. Da werden wir auch diese hier überstehen.« Mein Vater streckte mir die Hand hin.
    »Aber das alles ist …«
    »Chaotisch? Das ganze Leben ist so. Also hör auf, perfekt sein zu wollen. Versuch zur Abwechslung, nur du selbst zu sein.« Mein Vater schwenkte den Arm durch die Luft und brachte damit die vielen normalerweise verborgenen Stränge zum Vorschein. »Die ganze Welt findet sich in diesem Raum wieder. Lass dir Zeit, und lerne sie kennen.«
    Ich studierte die Muster und erkannte um alle Hexen herum Farbverdichtungen, die auf ihre jeweiligen Stärken schließen ließen. Mich umgaben Stränge von Feuer und Wasser in schillernden Schattierungen. Wieder stieg Panik in mir auf.
    »Ruf das Feuer«, sagte mein Vater, als wäre das so einfach, wie eine Pizza zu bestellen.
    Nach kurzem Zögern krümmte ich die Finger und wünschte das Feuer zu mir. Ein orangeroter Strang fing sich an meiner Fingerspitze, und als ich vorsichtig pustete, stiegen Dutzende winziger Bläschen aus Licht und Wärme in die Luft auf wie Glühwürmchen.
    »Bezaubernd, Diana!«, rief Catherine aus und klatschte in die Hände.
    Das Klatschen und die Feuerbällchen weckten in meiner Feuerdrachin Freiheitsgelüste. Bennu rief sie von der Schulter meines Vaters aus, und die Drachin antwortete ihm. »Nein«, ermahnte ich sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Sei keine Spielverderberin. Sie ist ein Drache – kein Goldfisch. Warum versuchst du immer so zu tun, als wäre das Magische gewöhnlich? Lass sie fliegen!«
    Sobald ich mich auch nur ein wenig entspannte, wurden meine Rippen weich und begannen sich vom Rückgrat

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