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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Elizabeth Jackson alles wiederholen, weil mein Vater mit so merkwürdigem Akzent sprach.
    »Aber wir wollen nicht unhöflich sein. Möchtet Ihr uns den Namen Eures Wesens mitteilen?« Goody Alsop sah scharf auf die Schulter meines Vaters, auf der die schwachen Umrisse eines Reihers zu sehen waren. Mir war der Schatten nie zuvor aufgefallen.
    »Ihr könnt Bennu sehen?«, fragte mein Vater überrascht.
    »Natürlich. Er kauert mit gespreizten Schwingen auf Eurer Schulter. Meine Vertraute hat keine Schwingen, dabei bin ich der Luft eng verbunden. Wahrscheinlich war sie auf diese Weise leichter zu zähmen. Als ich noch ein Mädchen war, kam einst ein Weber nach London, der eine Harpye als Vertraute hatte. Sie hieß Ella und war kaum zu bändigen.«
    Goody Alsops Schatten schwebte um meinen Vater herum und gurrte dem Vogel, der allmählich deutlicher sichtbar wurde, leise etwas zu.
    »Vielleicht kann Euer Bennu Dianas Feuerdrachin dazu bewegen, ihren Namen preiszugeben. Wir glauben, dass es dadurch wesentlich leichter für Eure Tochter wäre, in ihre Zeit zurückzukehren. Niemand möchte, dass auch nur eine Spur ihres Vertrauten in London zurückbleibt, die Diana zurück in diese Zeit ziehen könnte.«
    »Mann.« Das war zu viel für meinen Vater – die Hexenversammlung, Goody Alsops lebender Schatten und die Tatsache, dass seine Geheimnisse keine mehr waren.
    »Was für ein Mann?«, fragte Elizabeth Jackson, die angenommen hatte, dass sie etwas nicht verstanden hatte, höflich in die Runde.
    Mein Vater richtete sich auf und sah Elizabeth nachdenklich an. »Kennen wir uns?«
    »Nein. Ihr erkennt nur das Wasser in meinen Adern. Wir freuen uns, Euch bei uns zu haben, Master Proctor. Es ist lange her, dass sich drei Weber gleichzeitig in den Mauern Londons aufgehalten haben. In der Stadt rumort es.«
    Goody Alsop deutete auf den Stuhl an ihrer Seite. »Setzt Euch doch.«
    Mein Vater nahm den Ehrenplatz ein. »Bei uns zu Hause weiß niemand etwas von diesen Webereien.«
    »Nicht einmal Mom?« Ich war entsetzt. »Dad, das musst du ihr erzählen.«
    »O nein, die weiß Bescheid. Aber ich brauchte ihr nichts zu erzählen. Ich habe es ihr gezeigt.« Die Finger meines Vaters bogen sich erst nach innen und streckten sich dann in einer instinktiven Befehlsgeste.
    Die Welt erstrahlte in Blau-, Grau-, Lavendel- und Grüntönen, als er all die verborgenen Wasserstränge im Raum zum Leben erweckte: die Weidenzweige in dem Krug am Fenster, die silbernen Kerzenständer, die Goody Alsop bei ihren Zauberformeln einsetzte, den Fisch, den es zum Abendessen geben sollte. Alles und jeder im Raum war wie in Wasserfarben getaucht. Bennu stieg von seiner Schulter auf und brachte mit den silbernen Spitzen seiner Schwingen die Luft zum Wogen. Goody Alsops lebender Schatten wurde vom Luftzug hin und her getragen und verwandelte sich dabei kurz in eine langstielige Lilie, bevor er wieder menschliche Gestalt annahm, aus der allerdings Schwingen wuchsen. Es war, als würden die beiden Geistwesen miteinander spielen. Als ahnte sie, dass auch sie wiedererweckt werden könnte, schlug meine Feuerdrachin mit dem Schwanz und ließ ihre Schwingen gegen meine Rippen flattern.
    »Jetzt nicht«, erklärte ich ihr streng und griff mir ans Mieder. Ein umherschwirrender Drache hatte uns gerade noch gefehlt. Vielleicht hatte ich die Vergangenheit tatsächlich nicht mehr so im Griff, wie ich es mir wünschte, aber ich war bestimmt nicht so verrückt, im London Elisabeths I. einen Drachen fliegen zu lassen.
    »Lass sie raus, Diana«, drängte mein Vater. »Bennu wird auf sie aufpassen.«
    Aber das brachte ich einfach nicht über mich. Mein Vater rief Bennu zu sich, der prompt mit seinen Schultern verschmolz. Die Wassermagie um mich herum löste sich in Luft auf.
    »Wovor hast du solche Angst?«, fragte mein Vater mich ruhig.
    »Hiervor!« Ich schwenkte meine Schnüre durch die Luft. »Und hiervor.« Ich schlug mir auf die Rippen und rempelte damit meine Feuerdrachin an, die postwendend rülpste. Meine Hand glitt abwärts auf meinen Bauch, in dem unser Kind heranwuchs. »Und hiervor. Ich brauche mich nicht mit Elementarzaubereien hervorzutun wie du. Ich bin glücklich, so wie ich bin.«
    »Du kannst Zaubersprüche weben, eine Feuerdrachin kommandieren und Leben und Tod beeinflussen. Du bist so sprunghaft wie die Schöpfung selbst, Diana. Für diese Kräfte würde jede Hexe mit einem Funken Selbstachtung töten.«
    Ich sah ihn entsetzt an. Damit hatte er den einen Punkt

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