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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Lehrerin einen letzten Besuch abstattete, erwartete mich Goody Alsops Schatten schon melancholisch am Ende der Gasse. Lustlos schwebte er hinter mir her, während ich die Treppe zum Zimmer der Hexe erklomm.
    »Ihr verlasst uns also«, sagte Goody Alsop von ihrem Sessel am Feuer aus. Sie trug Wollsachen und einen Schal, und im Kamin loderten die Flammen.
    »Wir müssen.« Ich beugte mich vor und gab ihr einen Kuss auf die papierenen Wangen. »Wie geht es Euch heute?«
    »Etwas besser, dank Susannas Medizin.« Goody Alsop hustete und krümmte sich unter der Wucht der Attacke. Als sie sich halbwegs erholt hatte, musterte sie mich mit klarem Blick und nickte dann. »Diesmal hat sich das Kind festgesetzt.«
    »Allerdings«, bestätigte ich lächelnd. »Das beweist mir jeden Morgen meine Übelkeit. Möchtet Ihr, dass ich den anderen davon erzähle?« Ich wollte Goody Alsop keine zusätzlichen Lasten aufbürden, weder emotionale noch physische. Susanna machte sich ohnehin Sorgen, weil sie so gebrechlich war, und Elizabeth Jackson hatte schon einige der Aufgaben übernommen, die gewöhnlich der Ältesten eines Zirkels zufielen.
    »Das ist nicht nötig. Ich selbst weiß es von Catherine. Sie sagte, Corra sei vor ein paar Tagen bei ihr vorbeigeflogen, schnaubend und schnaufend wie immer, wenn sie ein Geheimnis hütet.«
    Wir waren übereingekommen, meine Feuerdrachin und ich, dass sie nur einmal in der Woche und ausschließlich nachts allein ausfliegen durfte. Ich hatte ihr widerstrebend erlaubt, bei Neumond ein zweites Mal auszufliegen, weil es da unwahrscheinlich war, dass jemand sie sah und sie irrtümlich für einen feuerspeienden Verkünder des nahenden Weltuntergangs hielt.
    »Da hat sie also gesteckt«, sagte ich lachend. Corra genoss die Gesellschaft der Hexe, und Catherine forderte sie gern zu einem Wett-feuerspeien heraus.
    »Wir sind alle froh, dass Corra eine Beschäftigung gefunden hat, statt ständig an den Kaminen zu kleben und die Geister anzukreischen.« Goody Alsop deutete auf den Stuhl ihr gegenüber. »Möchtet Ihr Euch nicht zu mir setzen? Wer weiß, ob uns die Göttin noch einmal Gelegenheit dazu gibt.«
    »Habt Ihr schon das Neueste aus Schottland gehört?«, fragte ich und setzte mich.
    »Ich habe nichts mehr gehört, seit Ihr mir berichtet habt, dass Euphemia MacLean auf dem Scheiterhaufen landete, obwohl sie beteuerte, ein Kind im Leib zu tragen.« Seit ich Goody Alsop erzählt hatte, dass eine junge Hexe aus Berwick trotz Matthews Bemühungen verbrannt worden war, war sie zusehends hinfällig geworden.
    »Matthew hat die anderen in der Kongregation endlich überzeugen können, dass die Spirale von Anschuldigungen und Hinrichtungen durchbrochen werden muss. Zwei der angeklagten Hexen haben ihre Aussage widerrufen und erklärt, dass man ihnen das Geständnis unter dem Druck der Folter abgepresst hat.«
    »Die Kongregation war bestimmt überrascht, dass sich ausgerechnet ein Wearh für eine Hexe einsetzt.« Goody Alsop sah mich scharf an. »Wenn Ihr noch länger hierbleibt, wird er sich irgendwann verraten. Matthew Roydon lebt in einer Welt der Halbwahrheiten, aber niemand kann sich ewig verstellen. Ihr müsst vorsichtiger sein, allein des Kindes wegen.«
    »Das werden wir«, versicherte ich ihr. »Aber ich bin immer noch nicht sicher, ob mein achter Knoten hält, wenn wir zeitwandeln. Nicht wenn ich Matthew und das Kind dabeihabe.«
    »Zeigt ihn mir.« Goody Alsop streckte die Hand aus. Ich beugte mich vor und legte die Schnüre hinein. Beim Zeitwandeln würde ich alle neun Schnüre einsetzen und insgesamt neun verschiedene Knoten knüpfen müssen. Kein Zauber brauchte mehr Knoten.
    Mit geübten Händen flocht Goody Alsop acht Knoten in die rote Schnur und fügte dann die Enden zusammen, sodass der Knoten nicht aufzulösen war. »So mache ich es.« Das Geflecht war bestechend schlicht und erinnerte mit seinen offenen Schlingen und Schlaufen an das steinerne Maßwerk eines Kathedralenfensters.
    »Meine sahen ganz anders aus.« Ich lachte betrübt auf. »Sie wackelten und zappelten ununterbrochen.«
    »Jedes Gewebe ist so einzigartig wie der Weber, der es knüpft. Die Göttin will nicht, dass wir einem Ideal der Perfektion nachstreben, sondern unserem wahren Selbst entsprechen.«
    »Dann muss ich ziemlich zappelig sein.« Ich griff nach den Schnüren, um das Muster zu studieren.
    »Ich möchte Euch noch einen anderen Knoten zeigen«, sagte Goody Alsop.
    »Noch einen?« Ich sah sie erstaunt an.
    »Einen

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