Wo die Nacht beginnt
Euer Hexenblut zwitschert wie ein Vogel.« Hancocks buschige Brauen hoben sich, und er sah seinen Gefährten verdrossen an. »Der Ärger reist immer in Begleitung einer Frau.«
»Der Ärger ist kein Tor. Vor die Wahl gestellt, würde ich auch lieber mit einer Frau als mit dir reisen.« Der blonde Krieger wandte sich an Matthew. »Es war ein langer Tag, Hancock tut der Arsch weh, und er ist hungrig. Wenn du ihm nicht bald erklärst, warum du eine Hexe in deinem Haus beherbergst, kann ich nicht für ihre Sicherheit bürgen.«
»Das muss etwas mit Berwick zu tun haben«, verkündete Hancock. »Verfluchte Hexen. Immer machen sie Ärger.«
»Berwick?« Sofort beschleunigte mein Puls. Der Name sagte mir etwas. Damit war einer der berüchtigtsten Hexenprozesse auf den britischen Inseln verbunden. Ich kramte in meiner Erinnerung nach dem dazugehörigen Datum. Bestimmt hatte er lange vor oder nach 1590 stattgefunden, sonst hätte Matthew nicht dieses Jahr für unsere Zeitwanderung ausgewählt. Aber Hancocks nächste Worte ließen mich alles vergessen, was mit Geschichte und Chronologie zu tun hatte.
»Oder mit irgendwelchen Angelegenheiten der Kongregation, die wir für Matthew regeln sollen.«
»Der Kongregation?« Marlowes Augen wurden schmal, und er fixierte Matthew argwöhnisch. »Ist das wahr? Gehört Ihr tatsächlich zu diesem mysteriösen Kreis?«
»Natürlich ist das wahr! Was glaubt Ihr denn, wie er Euren Hals aus der Schlinge gezogen hat, junger Marlowe?« Hancock suchte den Raum ab. »Gibt es hier noch was anderes zu trinken als Wein? Ich hasse Eure französischen Marotten, de Clermont. Was stört Euch an Bier?«
»Nicht jetzt, Davy«, murmelte Gallowglass seinem Freund zu, ohne den Blick von Matthew zu nehmen.
Auch ich sah ihn wie erstarrt an, während mir die schreckliche Wahrheit dämmerte.
»Sag, dass du nicht dazugehörst«, flüsterte ich. »Sag mir, dass du mir das nicht verheimlicht hast.«
»Das kann ich nicht sagen«, antwortete Matthew knapp. »Ich habe dir versprochen, dass ich dich nicht belügen würde, weißt du noch?«
Mir wurde übel. Im Jahr 1590 war Matthew ein Mitglied der Kongregation, dabei war die Kongregation unser Feind.
»Und Berwick? Du hast behauptet, uns drohe hier keine Gefahr, in eine Hexenjagd verwickelt zu werden.«
»Nichts, was im schottischen Berwick passiert, betrifft uns hier«, versicherte mir Matthew.
»Was ist denn in Berwick geschehen?«, fragte Walter unruhig.
»Ehe wir Chester verließen, hörten wir Neuigkeiten aus Schottland. Am Abend vor Allerheiligen fand in einem Dorf östlich von Edinburgh eine große Hexenversammlung statt«, sagte Hancock. »Das heizte das Gerede über den Sturm an, den die dänischen Hexen in diesem Sommer entfesselt hatten, und über die Meeresfontänen, die die Ankunft eines Wesens mit beängstigenden Kräften ankündigen sollen.«
»Schließlich waren die Leute so in Aufruhr, dass man die armen Jammergestalten zu Dutzenden zusammentrieb«, fuhr Gallowglass fort, den eisigblauen Blick immer noch auf Matthew gerichtet. »Witwe Sampson, eine weise Frau aus Keith, erwartet eben jetzt im Kerker von Holyrood das königliche Verhör. Wer weiß, wie viele sich noch zu ihr gesellen werden, bis die Angelegenheit geklärt ist.«
»Die königliche Folter, meinst du«, murmelte Hancock. »Man erzählt sich, die Frau sei in einen Hexenknebel geschlossen worden, damit sie keinen weiteren Zauber gegen Seine Majestät sprechen kann, und dann hätte man sie ohne Wasser und Brot an die Wand gekettet.«
Ich sank abrupt auf meinen Stuhl.
»Ist dies vielleicht eine der Angeklagten?«, wollte Gallowglass von Matthew wissen. »Und gewähre mir das gleiche Recht wie der Hexe, wenn’s beliebt: Geheimnisse, aber keine Lügen.«
Es blieb lange still, dann antwortete Matthew: »Diana ist meine Gemahlin, Gallowglass.«
»Ihr habt uns in Chester für ein Weib sitzen lassen?« Hancock war außer sich. »Aber wir hatten noch zu tun!«
»Ihr habt das einzigartige Talent, den Stock stets beim falschen Ende zu packen, Davy.« Gallowglass’ Blick kam auf mir zu liegen. »Deine Gemahlin?« , wiederholte er argwöhnisch. »Ich nehme an, dies ist nur eine rechtliche Vereinbarung, um die Neugier der Menschen zu befriedigen und ihre Anwesenheit in deinem Hause zu rechtfertigen, bis die Kongregation über ihre Zukunft entschieden hat?«
»Sie ist nicht nur meine Gemahlin«, gab Matthew zu. »Wir haben uns verpaart.« Ein Vampir verpaarte sich mit einer Frau,
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