Wo die Nacht beginnt
kenne ich unseren Herrn und Meister«, kommentierte Hancock unter einer ironischen Verbeugung. »Einen Moment fürchtete ich schon, Ihr wärt verhext worden. Aber eine Frage stellt sich dennoch. Was ist mit ihr, dass man sie durch einen Zauber binden musste? Ist sie gefährlich? Verrückt? Beides?«
Verstört durch den Ansturm von Neffen, aufgebrachten Freunden und den Ärger, der aus Woodstock heraufzog, fasste ich hinter mich, um einen Stuhl heranzuziehen. Dummerweise konnte ich mich in den fremdartigen Gewändern kaum bewegen, verlor das Gleichgewicht und kippte prompt zur Seite. Eine raue Hand schoss vor, packte mich am Ellbogen und senkte mich überraschend sanft auf die Sitzfläche.
»Schon gut, Tantchen.« Gallowglass seufzte mitfühlend. »Ich weiß zwar nicht, was mit deinem Kopf nicht stimmt, aber Matthew wird für dich sorgen. Der Gute hatte in seinem Herzen schon immer einen Platz für verlorene Seelen.«
»Ich habe das Gleichgewicht verloren, nicht den Verstand«, fuhr ich ihn an.
Gallowglass fixierte mich mit steinernem Blick und führte dann seine Lippen an mein Ohr. »Deine Sprache ist so wirr, dass man dich leicht für irre halten kann, und ich glaube nicht, dass der Priester großes Interesse für deine Erklärungen zeigen wird. Nachdem du weder aus Chester noch einem anderen Ort stammst, an dem ich je gewesen bin – und das sind eine ganze Reihe, Tante –, solltest du dich auf deine Manieren besinnen, wenn du nicht in der Kirchenkrypta hinter Schloss und Riegel landen möchtest.«
Lange Finger krallten sich in Gallowglass’ Schulter und zogen ihn von mir weg. »Du hast jetzt lange genug versucht, meiner Gemahlin Angst einzujagen – ein aussichtsloses Unterfangen, wie ich dir versichern kann –, und solltest mir lieber von den Männern erzählen, an denen ihr vorbeigekommen seid«, erklärte Matthew frostig. »Waren sie bewaffnet?«
»Nein.« Gallowglass sah mich ein letztes Mal neugierig an und wandte sich dann zu seinem Onkel um.
»Und wer begleitete den Geistlichen?«
»Woher zum Teufel sollen wir das wissen, Matthew? Alle drei waren Warmblüter und keinen zweiten Gedanken wert. Einer war fett und grauhaarig, der andere war von mittlerer Gestalt und beklagte sich laut über das Wetter«, antwortete Gallowglass ungeduldig.
»Bidwell«, sagten Matthew und Walter wie aus einem Mund.
»Wahrscheinlich ist Iffley der Dritte«, bemerkte Walter. »Die beiden jammern unablässig – über den Zustand der Straßen, den Lärm im Wirtshaus, den Geschmack des Bieres.«
»Wer ist Iffley?«, fragte ich laut.
»Ein Mann, der sich für den besten Handschuhmacher in ganz England hält. Somers arbeitet für ihn«, erklärte Walter.
»Master Iffley fertigt immerhin die Handschuhe der Königin«, pflichtete George bei.
»Er hat ein einziges Paar Jagdhandschuhe für sie angefertigt, und das vor zwei Jahrzehnten. Das macht Iffley wohl kaum zum wichtigsten Mann im Umkreis von dreißig Meilen, selbst wenn er diese Ehre gern für sich beanspruchen würde.« Matthew schnaubte verächtlich. »Für sich genommen ist keiner der drei besonders klug. Falls das die besten Männer sind, die das Dorf ausschicken kann, dürfen wir uns ruhig wieder in unsere Lektüre vertiefen.«
»Das ist alles?« Walters Stimme klang brüchig. »Wir bleiben sitzen und warten, bis sie eintreffen?«
»Genau. Aber ich werde Diana nicht aus den Augen lassen – genauso wenig wie du, Gallowglass«, warnte Matthew.
»Du brauchst mich nicht an meine familiären Pflichten zu erinnern, Onkel. Ich versichere dir, dass dein übellauniges Weib heute Abend in deinem Bett liegen wird.«
»Übellaunig bin ich also? Es stellt sich heraus, dass mein Mann Mitglied der Kongregation ist. Ein Trupp von Männern ist auf dem Weg hierher, um mir vorzuwerfen, ich hätte einer alten Furie Schaden zugefügt. Es hat mich an einen unbekannten Ort verschlagen, wo ich mich verlaufe, sobald ich nur ins Schlafzimmer zu gelangen versuche. Ich habe immer noch keine Schuhe. Und ich lebe in einer Jugendherberge voller halbwüchsiger Burschen, die keine Sekunde die Klappe halten können!« Ich kochte. »Aber macht euch um mich keine Sorgen. Ich kann auf mich selbst aufpassen!«
»Auf dich selbst aufpassen?« Gallowglass lachte mich kopfschüttelnd aus. »Das kannst du nicht. Und wenn der Kampf überstanden ist, müssen wir deinen Akzent ausschleifen. Ich habe nicht einmal die Hälfte von dem verstanden, was du gerade gesagt hast.«
»Bestimmt stammt sie aus
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