Wo die Nacht beginnt
ängstlich zurück.
»In diesem Haus haust das Böse. Jeder im Dorf weiß das. Erst gestern hat Mr Danforth der Gemeinde gepredigt, welche Gefahr uns droht, wenn es hier Wurzeln schlägt.«
»Ich bin allein, eine Hexe wie Ihr, und ohne eine Familie, die mir helfen könnte«, versuchte ich an ihr Mitleid zu appellieren. »Erbarmt euch meiner, bevor ein anderer entdeckt, was ich bin.«
»Ihr seid keineswegs wie ich, und ich will keinen Ärger. Niemand wird sich meiner erbarmen, wenn das Dorf nach Blut lechzt. Ich habe keinen Wearh, der mich beschützt, und kein Lord oder Höfling wird sich für mich einsetzen und meine Ehre verteidigen.«
»Matthew – Master Roydon – wird nicht zulassen, dass jemand Euch Leid zufügt.« Ich hob beschwörend die Hand.
Witwe Beaton sah mich fassungslos an. »Einem Wearh ist nicht zu trauen. Was würden die Menschen aus dem Dorf wohl tun, wenn sie wüssten, was Matthew Roydon in Wahrheit ist?«
»Diese Sache geht niemanden außer uns etwas an, Witwe Beaton«, warnte ich sie.
»Woher stammt Ihr, Mädchen, dass Ihr glaubt, eine Hexe würde einer anderen Schutz gewähren? Die Welt ist voller Gefahren. Keine von uns ist mehr sicher.« Die alte Frau sah Matthew hasserfüllt an. »Die Hexen sterben zu Tausenden, doch die Feiglinge in der Kongregation unternehmen nichts dagegen. Warum wohl, Wearh?«
»Das genügt«, erklärte Matthew kühl. »Françoise, bitte führ Witwe Beaton hinaus.«
»Ich gehe schon, und zwar gern.« Die Alte richtete sich so hoch auf, wie es ihre müden Knochen erlaubten. »Aber merkt Euch eines, Matthew Roydon. Jedes Geschöpf im Umkreis einer Tagesreise hegt den Verdacht, dass Ihr ein wildes Tier seid, das sich von Blut ernährt. Wenn man entdeckt, dass Ihr eine Hexe mit so dunklen Kräften beherbergt, wird Gott keine Gnade gegenüber jenen walten lassen, die sich gegen Ihn gewandt haben.«
»Gehabt Euch wohl, Witwe Beaton.« Matthew drehte der Hexe den Rücken zu, doch Witwe Beaton war fest entschlossen, das letzte Wort zu behalten.
»Nehmt Euch in Acht, Schwester«, rief Witwe Beaton mir zu, bevor sie verschwand. »Ihr strahlt zu hell für diese dunklen Zeiten.«
Alle Blicke im Raum waren auf mich gerichtet. Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen.
»Erklärt Euch«, befahl Walter knapp.
»Diana schuldet Euch keine Erklärung«, giftete Matthew zurück.
Walter hob beschwichtigend die Hand.
»Was war da los?«, fragte Matthew maßvoller. Offenbar schuldete ich ihm sehr wohl eine Erklärung.
»Genau das, was ich vorhergesagt habe: Wir haben Witwe Beaton verschreckt. Jetzt wird sie alles tun, damit man sie nicht mit mir in Verbindung bringt.«
»Ich hätte mehr Fügsamkeit von ihr erwartet. Ich habe der Frau schon mehr als einen Gefallen erwiesen«, murmelte Matthew.
»Warum hast du ihr nicht erklärt, dass ich deine Frau bin?«, fragte ich leise.
»Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem du mir verschwiegen hast, was du mit dem Obst aus meinem Garten anstellen kannst«, gab er zurück und packte mich am Ellbogen. Matthew wandte sich an seine Freunde. »Ich muss mit meiner Gemahlin sprechen. Allein.« Damit führte er mich hinaus.
»Ach, plötzlich bin ich wieder deine Gemahlin!« Ich wand meinen Ellbogen aus seinem Griff.
»Du hast nie aufgehört, meine Gemahlin zu sein. Trotzdem müssen wir nicht alle Welt in unsere Privatangelegenheiten einweihen. Also, was ist da drin passiert?«, wollte er wissen, als wir neben einem der korrekt gestutzten Buchsbaumköpfe im Garten standen.
»Du hattest vorhin ganz recht: Meine Magie verändert sich.« Ich wandte das Gesicht ab. »Vorhin ist mir etwas Ähnliches mit den Blumen in unserem Schlafzimmer passiert. Als ich sie neu arrangieren wollte, schmeckte ich plötzlich den Boden und die Luft, die sie zum Wachsen gebracht haben. Die Blumen vertrockneten mir unter den Fingern. Eigentlich wollte ich den Sonnenschein in die Quitte zurücklenken. Aber er wollte mir nicht gehorchen.«
»Witwe Beaton hätte mit ihrem Verhalten bei dir einen Hexenwind auslösen müssen, nachdem sie dich so in die Enge getrieben hat, oder ein Hexenfeuer, weil sie dich in Gefahr brachte. Vielleicht hat das Zeitreisen deine magischen Fähigkeiten beeinträchtigt«, mutmaßte Matthew stirnrunzelnd.
Ich biss mir auf die Lippe. »Ich hätte mich auf keinen Fall provozieren lassen und ihr zeigen dürfen, wozu ich fähig bin.«
»Sie wusste, dass du mächtige Kräfte besitzt. Ihre Angst war zu riechen.« Er sah mich ernst
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